Ein "Zufallsfund" ließ diesen ungewöhnlichen Schlepperfall auffliegen: Im Mai des Vorjahres entdeckte eine Polizeistreife im Bezirk Völkermarkt einen verwirrten Mann. Ein Marokkaner, wie sich herausstellte, der regulär in Österreich war, mit Visum und Arbeitsbescheinigung. Anfang 20, der kein Wort Deutsch oder Englisch sprach, weder lesen noch schreiben konnte.
Das Landeskriminalamt (LKA) Kärnten übernahm den Fall und stieß auf einen in Graz lebenden marokkanischen Staatsbürger (30). Der wurde kurze Zeit später auf einem Parkplatz in Graz-Liebenau festgenommen. Seitdem sitzt der 30-Jährige in U-Haft, von wo aus er dem Richter vorgeführt wird.
Bis zu 8000 pro Person kassiert
Die Staatsanwaltschaft (StA) Graz hat gegen den Mann Strafantrag eingebracht, wie Behördensprecher Christian Kroschl bestätigt. Wegen des Verbrechens der Schlepperei und des Vergehens der entgeltlichen Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt. Dem 30-Jährigen konnte nachgewiesen werden, dass er vier marokkanische Staatsbürger rechtswidrig nach Österreich gebracht hat. Dafür hat er pro Person zwischen 5000 und 8000 Euro kassiert, so Kroschl.
Abgelaufen ist das menschenverachtende Geschäft so: Auf der Homepage des Arbeitsmarktservices suchte der Angeklagte nach Reitställen, die Mitarbeiter brauchten. Mittäter redeten in Marokko junge Männer an und versprachen ihnen gut bezahlte Jobs in Österreich. Um hierherzukommen, mussten die Männer bezahlen – Tausende Euro für Visum und Flug. Tatsächlich kostet beides zusammen rund 500 Euro, so ein Ermittler. Die Familien der Männer gaben ihr ganzes Erspartes den Tätern.
Hatten die Männer gezahlt, wurden ihre Daten nach Graz weitergeleitet und von dort an die Reitställe. Deren Betreiber meldeten die Marokkaner als Saisonarbeiter an, bekamen die Visa, die sie an die österreichische Botschaft in Marokko schickten. Dort holten Mittäter des 30-Jährigen die Unterlagen und setzten die Arbeiter in ein Flugzeug nach Österreich. Hier wurden sie vom Grazer erwartet und auf Reiterhöfe verteilt.
3,75 Euro Stundenlohn
Aus dem "Kundenkreis" kommen zwei weitere Angeklagte. Die Kärntner müssen sich laut Staatsanwaltschaft wegen des Vergehens der entgeltlichen Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, des Vergehens der Ausbeutung eines Fremden und des Verbrechens des Menschenhandels verantworten. Sie sollen laut Anklage einen Marokkaner auf ihrem Reithof ausgenutzt und ausgebeutet haben. Der Mann musste als Stallarbeiter, ohne sozialversichert zu sein, 60 Stunden pro Woche arbeiten, für rund 900 Euro Lohn im Monat. Das ergibt einen Stundenlohn von 3,75 Euro.
Weitere Opfer?
Ursprünglich gingen die Ermittler von weitaus mehr Opfern und Tatbeteiligten aus: Insgesamt sollen 36 Nordafrikaner nach Österreich geschleppt und auf 35 Reiterhöfe, fünf in Kärnten und sieben in der Steiermark, geschickt worden sein. Letztlich beweisen, ließen sich bisher nur die angeklagten Fälle. Gegen einen weiteren Kärntner Reitstallbesitzer wird noch ermittelt. Das Verfahren gegen zwei weitere Beschuldigte wurde im Zweifel eingestellt, jenes gegen einen unbekannten Täter abgebrochen. Es gilt die Unschuldsvermutung.