Seit einer Woche schlägt ein Bericht der Irin Shelby Lynn Wellen. Sie erzählt in sozialen Medien von einer Art organisiertem "Groupie-Casting" für die deutsche Rockband Rammstein – inklusive Partys, Gewalt, Sex sowie Drogen- und Alkoholkonsum. Viele weitere Frauen teilen nun ihre Erfahrungen über die sogenannte "Row Zero" und die Erlebnisse mit Frontman Till Lindemann. Seither tobt eine Debatte über den Umgang mit weiblichen Fans und über die Trennbarkeit von Künstler und Werk. Die Empörung ist groß, die Welle der Verteidigung ebenso. Besonders auffallend ist das System, mit dem junge Frauen der Band und den Backstage-Partys zugeführt worden sein sollen. Sie wurden kurz vor den Konzerten über Social Media kontaktiert und in die "Reihe null" und zu Partys eingeladen – von einer Frau namens Alena Makeeva, deren Aufgabe es dem Anschein nach ist, ganz professionell und strukturiert junge Frauen für Till Lindemann zu rekrutieren.

Gegenüber der NZZ hat nun ein weiblicher Fan bestätigt, dass es auch bei den Rammstein-Konzerten in Klagenfurt im Mai 2022 eine "Row Zero" gegeben hat. Diana ist 28 und wohnt in der Nähe von Wien. Sie schildert der NZZ den Ablauf der Einladung. Sie und ihre Freundinnen sollen ihre Freude über das bevorstehende Konzert auf Instagram geteilt und darin Till Lindemann markiert haben. Darauf hin sollen sie von Makeeva folgende Nachricht bekommen haben: "Habt ihr Lust, morgen in der 'Row Zero' zu sein und damit an der Pre- und After-Party teilzunehmen?" Die Frauen sagen zu, gehen zur Party vor dem Konzert. Diana wird für die Konzertpause wieder zu Lindemann eingeladen – allein. "Ich wusste, das ist jetzt mein Fan-Girl-Moment", erzählt sie der NZZ. Während des Gesprächs soll es zu einem Kuss gekommen sein. Sie betont: "Der Kuss ging klar von mir aus." Überhaupt spricht Diana in den höchsten Tönen von Till Lindemann und Alena Makeeva. Sie ist eine von vielen Fans und "Row-Zero"-Frauen, die Till Lindemann und Alena Makeeva nun auf Instagram mit dem Hashtag #JusticeForRammstein in Schutz nehmen.

Auch an der After-Show-Party sollen Diana und ihre Freundinnen teilgenommen haben. Es habe sie an eine Home-Party, wie man sie von früher kennt, erinnert. Darauf, die Band ins Hotel zu begleiten, verzichteten die Freundinnen. Wenige Tage nach dem Konzert soll Alena Diana die Tourdaten von Rammstein geschickt haben. Die Frauen sollen einfach Bescheid geben, bei welchem Konzert sie wieder in der "Row Zero" dabei sein wollen. Es gibt nämlich eine "Row-Zero"-Community, eine Chatgruppe jener Frauen, die Rammstein nach den besonderen Einladungen treu bleiben.

Immer wieder Kritik und Shitstorms

Immer wieder hat diese Unterwelt aber auch für Kritik und Shitstorms gesorgt. Im Zuge der Veröffentlichung eines Gedichtbands sorgte Till Lindemann 2020 mit einem Text, in dem eine Vergewaltigung geschildert wird, für Empörung. "Und genau so soll das sein (so soll das sein, so macht das Spaß) / Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas) / Kannst dich gar nicht mehr bewegen / Und du schläfst / Es ist ein Segen", lautete eine Zeile im Gedicht. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch äußerte sich zur Kritik: "Die moralische Empörung über den Text dieses Gedichts basiert auf einer Verwechslung des fiktionalen Sprechers, dem sogenannten lyrischen Ich, mit dem Autor Till Lindemann."