"Wenn sie eingesperrt wird, habe ich nichts davon. Sie soll arbeiten gehen", gab eine Zeugin dem Vorsitzenden Richter Christian Liebhauser-Karl mit auf den Weg. Die betagte Frau hat einer falschen Polizistin Anfang August 20.000 Euro übergeben. Ihre Schwiegertochter habe einen Verkehrsunfall gehabt und müsse in U-Haft, wenn nicht bezahlt wird, lautete die Geschichte. Das Geld hat die Mindestpensionistin von ihren Kindern zu Geburtstagen, Muttertagen und zu Weihnachten bekommen und über die Jahre gespart. "Ich hatte Unterzucker an diesem Tag. Da brauche ich ein paar Stunden, bis ich mich davon erhole. Sonst bin ich nicht so blöd. Das mit dem Neffen-Trick kenne ich ja", erzählt die Frau.
So wie sie wurden weitere ältere Frauen Opfer einer international operierenden kriminellen Organisation. Die 27-jährige polnische Angeklagte agierte dabei als "Abholerin" und machte sich auf den Weg zu den Opfern.
Goldbarren und Philharmoniker
Von einer Kärntnerin wurden am 5. August sogar 100.000 Euro gefordert. "Das war oscarreif", erzählt die 81-Jährige. Gesprochen wurde in Deutsch "germanischer Färbung". Sie könne selbst nicht verstehen, wie sie darauf hineinfallen konnte. "Mein Mann ist an Corona verstorben. Ich war psychisch und physisch in einem Ausnahmezustand", sagt das Opfer. Aus Angst um ihre Schwiegertochter hat die Kärntnerin den Betrügern Geld, Goldbarren, Philharmoniker und Schmuck im Wert von 360.000 Euro als vermeintliche "Kaution" übergeben. Sprechen konnte sie weder mit ihrem Sohn noch mit ihrer Schwiegertochter. Er sei bereits beim Untersuchungsrichter, sie habe einen Schock erlitten, erzählten die Betrüger.
Die meisten Details sind von Fall zu Fall gleich. Beim Unfall sei ein Porsche beschädigt worden, die Lenkerinnen schweben teilweise in Lebensgefahr. Ein erfundenes Opfer war sogar schwanger und hat beim Unfall ihr Kind verloren.
Teilweise geständig
Bis auf einen Fall – jenen mit der höchsten Schadenssumme – zeigte sich die zweifache Mutter am Freitag geständig. Die 27-Jährige steht als Erste aus dem kriminellen Netzwerk vor Gericht. Gegen weitere Mitglieder wird ermittelt. Der Prozess wurde vertagt. Bis zum nächsten Verhandlungstermin müssen Aufnahmen aus einer Überwachungskamera gesichtet werden.