Der morbide Charme der Vergänglichkeit hat die Gegenwart erobert: Immer mehr Hobbyfotografen und Abenteuerlustige erkunden sogenannte Lost Places, auf den Geschmack gebracht von TV-Dokumentationen und Büchern über diese vergessenen Orte. Auch in Kärnten werden dabei allerdings immer häufiger Grenzen überschritten. Die Jagd nach außergewöhnlichen Motiven artet manchmal in das aus, was als Einbruch oder Sachbeschädigung strafbar ist. Betroffen ist auch ein Kärntner Verein, der auf die Vorfälle nun mit einem Aufruf und einem Angebot im Internet reagiert.
Der Verein "Austrian Rangers" hat ein seit 2018 leerstehendes Hotel im Kärntner Zentralraum gepachtet. Die Mitglieder spielen im Gebäude Airsoft. Dabei treten, vereinfacht erklärt, Mannschaften mit speziellen, aber harmlosen Waffenreplikas mit Munition aus Maisstärke gegeneinander an. Weniger harmlos waren die Vorgänge in Abwesenheit der Pächter. Immer wieder wurde in das Gebäude eingebrochen – weniger auf der Suche nach Wertgegenständen, sondern vielmehr nach außergewöhnlichen Fotomotiven, die später auf Lost-Places-Plattformen im Internet auftauchten.
"Die Fotografen stören uns wenig, solange sie sich nicht gewaltsamen Zutritt verschaffen", sagt Philipp Weißensteiner, der Obmann des Vereins. "Aber die gewaltige Zerstörungswut, die manche Eindringlinge an den Tag gelegt haben, hat uns wirklich schockiert." Einige Fenster wurde mit scharfen Waffen zerschossen, andere einfach eingeschlagen. Türen wurden aus ihren Angeln gerissen und zum Teil auch aus den Fenstern geworfen. Sanitäre Einrichtungen wurden zertrümmert und beschmiert. Dazu kamen rassistische Schmierereien, die viele Räume als Kulisse für Gameplay-Videos, die der Verein über Airsoft dreht, vorübergehend unbrauchbar gemacht haben. "Wir können und wollen keine Filme mit einem Hakenkreuz im Hintergrund machen", ärgert sich Weißensteiner.
Die verunstalteten Wände werden jetzt vom Kärntner Streetart- und Graffitikünstler Nino Weld (Künstlername "Grime") neugestaltet. Das Projekt kann auf seinem Instagram-Account "grime.wandmalismus" mitverfolgt werden. Die Zusammenarbeit mit ihm kam durch das Facebookposting des Vereins zustande, mit dem Weißensteiner auf die Probleme im Hotel aufmerksam machte und es Künstlern als legales Betätigungsfeld anbot. Auch Hobbyfotografen dürfen sich gerne beim Verein melden. Gleichzeitig weist man in dem Posting darauf hin, dass im ganzen Hotel nun Kameras installiert sind. "Die Aufnahmen werden, wenn es zu Straftaten kommt, direkt an die Polizei weitergegeben. Unser Spielfeld soll nicht weiter zerstört werden."
Mit denselben Problemen kämpfen die Besitzer eines Schlosses in Unterkärnten. Es ist aus Sicherheits- und Haftungsgründen verschlossen, weil Zwischendecken eingestürzt sind. Das Tor wird allerdings immer wieder aufgebrochen und Fotos der gefährlichen Erkundungstouren landen im Internet. "Jeder Vorfall wird zur Anzeige gebracht", sagt der Eigentümer. "Privateigentum ist zu respektieren", warnt auch Georg Lux, Kleine-Zeitung-Journalist und Autor mehrerer Lost-Places-Bücher. "Es gibt in Kärnten und im nahen Ausland genug spektakuläre Ruinen, die frei und relativ gefahrlos zugänglich sind."
Grundsätzlich, so Lux, gelte dann aber noch immer die Grundregel des sogenannten Urban Exploring, wozu auch das Erkunden von Lost Places zählt: "Nimm nichts mit – außer Bildern. Lass nichts zurück – außer Fußspuren."
Die betroffenen Orte sind der Redaktion bekannt, werden im Artikel aber bewusst nicht genannt, um weitere Vorfälle zu vermeiden.