Es ist eine Idee, auf die man erst einmal kommen muss. Das trifft auf jene Kombination aus Symbolen zu, die 2021 in Kärnten entdeckt worden sind. Das Holztor mit den drei eingefrästen Runen, die auch von Nazi-Organisationen verwendet worden sind, ist der Eingang zu einem Grundstück, das einem ehemaligen Kärntner Spitzenpolitiker gehört.
Die Staatsanwaltschaft (StA) Klagenfurt hat den Mann – es handelt sich bei ihm um Kurt Scheuch – wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz angeklagt. Der 55-Jährige muss sich dafür heute, Mittwoch, am Landesgericht Klagenfurt verantworten. Der Prozess vor einem Geschworenengericht unter Vorsitz von Richterin Sabine Götz begann um 9.30 Uhr. Nach mehr als eineinhalbstündiger Beratungszeit fällten die Geschworenen gegen 16 Uhr ein Urteil: Freispruch. Mit einem denkbar knappen Ausgang von vier zu vier Stimmen. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab, damit ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Anwalt kritisiert "Vorverurteilung"
Kurz nach Beginn des Prozesses hat die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen Kurt Scheuch ausgeweitet. Es geht jetzt auch um Runen, die auf einem Gebäude angebracht sind (siehe unten). Zum Unverständnis von Scheuchs Anwalt, Christian Leyroutz: Keines der Zeichen sei im Verbotsgesetz angeführt, es handle sich um eine Grauzone. Die Verwendung der Zeichen sei mangels NS-Bezug nicht strafbar, so Leyroutz. Sein Mandant habe keine Berührungspunkte mit der rechtsextremen Szene, so Leyroutz. Der Prozess verfolge "politische Ziele", zudem sei Scheuch "durch die Berichterstattung vorverurteilt" worden. Dennoch werde sich sein Mandant nicht schuldig im Sinne der Anklage bekennen.
"Habe Runen selbst angebracht"
Das hat Kurt Scheuch dann auch getan, um mit einem überraschenden "Geständnis" nachzulegen: Er selbst habe die Runen angebracht, so der Ex-Politiker vor Gericht. Im Jahr 2011 am Turm, 2019 dann am Zaun. "Meine Familie und ich haben keinen Bezug zum Nationalsozialismus. Ja, mein Großvater, von dem ich den Hof geerbt habe, war NSDAP-Mitglied. Aber ich habe die Runen nicht in Gedenken an meinen Großvater angebracht."
Danach erklärte Scheuch, wie er auf die Motive gekommen sei: Er verwende seit seinem 15. Lebensjahr Runen. "Sie sind wichtig für meine Identität." Die Wolfsrune habe er angebracht, weil der Wolf ihn als Tier interessiere. Zudem heiße sein Sohn Wolf und es sei ein Glückszeichen. "Ich habe auch ein Wolf-Tattoo am Rücken." Die Sig-Rune sei eine Sowido-Rune. "Das S steht für Scheuch und den Sternenhof", so Kurt Scheuch. Und die Odal-Rune sei ein altes Zeichen für Besitz, Sippe und Familie.
Für Kurt Scheuch, er war bis 2013 Landeshauptmannstellvertreter von Kärnten und Parteiobmann der Freiheitlichen in Kärnten, gilt die Unschuldsvermutung.
Jahrelange Ermittlungen
Der Anklage waren jahrelange Ermittlungen vorausgegangen. Auch ein Historiker hat sich mit diesen Runen und deren Verwendung beschäftigt. Der Akt ist mehrmals zwischen der StA Klagenfurt und der zuständigen Oberstaatsanwaltschaft Graz hin- und hergegangen, ehe von dort grünes Licht für die Anklage gekommen ist. Ursprünglich war auch gegen einen zweiten ehemaligen Politiker ermittelt worden. Das Verfahren gegen diesen wurde jedoch schon vor längerer Zeit eingestellt.
Ins Rollen gebracht hat die Angelegenheit Olga Voglauer. Die Nationalratsabgeordnete der Grünen hat im November 2021 eine Sachverhaltsdarstellung bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eingebracht. Die hat die Vorwürfe geprüft und den Fall an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet.
"Dauerhafte Zurschaustellung"
Diese Runen (ursprünglich Schriftzeichen der Germanen) seien "Embleme bzw. Symbole von Organisationen, die nach dem Verbotsgesetz verboten sind", so Voglauer in ihrer Anzeige. Selbst wenn Scheuch die Runen nicht selbst ins Holztor eingefräst habe, würde er "deren dauerhafte Anbringung bzw. Zurschaustellung dulden", schreibt die Grüne-Politikerin. Die drei Symbole seien von außen gut ersichtlich und frei zugänglich, zudem führt direkt am eingezäunten Grundstück ein Radweg vorbei, von dem die Runen deutlich zu erkennen sind, so Voglauer. Mittlerweile wurden die Runen vom Holztor entfernt.
Bei den Symbolen handelte es sich um eine vertikale Wolfsangel-Rune und eine Odal-Rune. Die "Wolfsangel" wurde etwa von Adjutanten in der Hitlerjugend verwendet, aber auch von einer Panzerdivision der SS. Die Odal-Rune symbolisiert einerseits ererbten Besitz, war im Nationalsozialismus aber auch das Emblem von SS-Verbänden.
Weitere Runen entdeckt
Inzwischen wurden weitere Runen am Grundstück von Scheuch entdeckt, und zwar auf einem Gebäude. Eine weitere Anzeige folgte: Laut dieser handle es sich dabei ebenfalls um eine Odal-Rune und eine vertikale Wolfsangel-Rune. "Das Verhalten beider Beschuldigter legt die Vermutung nahe, die Anbringer handeln hier aus einer ideologischen Motivation heraus, diese verbotenen Symbole weiterhin zur Schau zu stellen, obwohl sie wissen, dass diese Embleme/Symbole wegen ihres eindeutigen NS-Bezugs nach geltender Rechtslage verboten sind und gerade dieses Wissen zur Entfernung der Symbole gleicher Art im Holzeingangstor geführt hatte", ist in der Sachverhaltsdarstellung zu lesen.
Zur Erklärung: Da Scheuch über Jahre zu den ranghöchsten Kärntner Politikern gehörte und auch dem Nationalrat angehörte, ist die Nennung seines Namens in diesem Zusammenhang zulässig. Wie bereits erwähnt, gilt für Scheuch die Unschuldsvermutung.