Es war wohl die skurrilste Rolle, für die der Kärntner Franz Oberlerchner jemals gebucht worden ist. Sogar CNN hat darüber berichtet: In einem Kurzfilm spaziert er durch Wien, genießt die Mehlspeisen im Café Sacher, staunt über die Ausstellungen im Kunsthistorischen Museum und erobert das Schloss Schönbrunn. Was daran skurril ist? Oberlerchner selbst bekommt man dabei gar nicht zu sehen – er ist als Bauch verkleidet, soll so im Kurzfilm die Versuchungen und Genüsse der Stadt repräsentieren.
Aber nicht nur im Spot, auch wenn er – unverkleidet – durch die Stadt spaziert, fällt Oberlerchner auf. Zum einen wegen seiner offenen Art, durch die er leicht mit Menschen ins Gespräch kommt. Zum anderen aber auch durch seine Größe. Der 44-Jährige ist aufgrund eines Chromosomendefektes mit einer Größe von 138 Zentimetern kleinwüchsig. "Wobei man mich hier in Villach und in meiner Heimatgemeinde Weißenstein schon kennt", sagt Oberlerchner, der Ansprechpartner für die Zweigstelle Kärnten des "Bundesverbandes kleinwüchsiger Menschen und ihre Familie" (BKMF) ist. In Kärnten sind es laut Oberlerchner zehn Menschen, die sich regelmäßig treffen. Österreichweit sind laut BKMF Austria 10.000 Menschen von Kleinwuchs betroffen, also zwischen 70 und 150 Zentimeter groß.
"Kinder sagen, was sie denken"
Wobei es verschiedene Formen des Kleinwuchses gibt: "Gesundheitlich geht es mir gut und mein Kopf, Oberkörper und meine Hände und Füße haben eine 'normale' Größe. Nur meine Glieder sind zu kurz geblieben", erklärt Oberlerchner. Das war schon klar, als er ein Baby war. "Heute gibt es Möglichkeiten, den Defekt schon vor der Geburt festzustellen."
Ziel des Verbandes ist es, "die Gesellschaft über den Kleinwuchs zu informieren und gleichzeitig die Interessen kleinwüchsiger Menschen zu vertreten". Diese Aufgabe übernimmt Oberlerchner gerne höchstpersönlich. Zum Beispiel, wenn ihn ein Kind mit großen Augen anschaut: "Kinder sind einfach das Schönste und Liebste, weil sie einfach sagen, was sie denken." Oft weisen die Eltern ihre Kinder daraufhin zurecht, was Oberlerchner nicht ideal findet: "Mir ist lieber, ich rede mit den Kindern und erkläre ihnen, was mit mir ist. Weil dann hat es sich für das Kind erledigt."
Der Einzige in seiner Familie
Die größte Fehlinformation rund um Kleinwuchs? "Die hat Gullivers Reisen mit seinen Liliputanern geschaffen", sagt Oberlerchner. Denn so ist auch er schon bezeichnet worden. Dazu findet er klare Worte: "Wer gebildet ist, sagt 'Kleinwüchsiger'." Generell geht er mit seiner Behinderung offen um. Seine Familie – er ist der Einzige mit dem Chromosomendefekt – hat ihn nie abgekapselt, und ihn auch mal einfach anrennen lassen, wo es notwendig war, wie er sagt: "Man muss Dinge einfach selbst probieren, und wenn’s nicht geht, geht’s eben nicht." Aber generell sieht Oberlerchner nicht die Hürden, sondern die Lösungen, um solche zu bewältigen.
Er fährt Auto, hat einen Bürojob und steht in seiner Freizeit gerne auf Theaterbühnen. Einzig und alleine die Küche musste etwas an seine Größe angepasst werden. Und: Seine Ehefrau Regina ist gelernte Schneiderin und kann Kleidung sowohl für ihn als auch für sich selbst dementsprechend abändern. Denn auch sie ist kleinwüchsig. Kennengelernt hat sich das Paar bei einem Treffen des BKMF. "2007 war sie auf einmal dort. Und wie es oft so ist, checkt die Frau es schneller als der Mann. Wir haben uns dann kennengelernt." Und der Rest ist Geschichte.
Theaterbühne als Ausgleich
In seiner Freizeit reist das Paar gerne, ab und zu auch mit einem angemieteten Wohnmobil. Auf einem Kroatien-Urlaub wurde Oberlerchner auch schon einmal mit "Game of Thrones"-Schauspieler Peter Dinklage verwechselt. Eines hat er mit Dinklage tatsächlich gemein – auch Oberlerchner schauspielert gerne, ist sogar bei einer Agentur unter Vertrag. "Als Ausgleich", wie er sagt.
So ist er auch zu seiner Rolle im Werbefilm für Wien gekommen. Und an der Wiener Volksoper wurde er bereits als Komparse gebucht. "Wenn ein Kleinwüchsiger benötigt wird, komme ich zum Zug", sagt Oberlerchner, der auch in seiner Heimat Weissenstein regelmäßig auf Bühnen zu sehen ist. "Ich war schon Postler, Pfarrer, Betrunkener und habe auch schon 'die Zukunft' dargestellt. So hat das der Regisseur genannt." Wichtig sei ihm bei seinen Rollen nur, dass es menschenwürdig bleibt.
Claudia Mann