Was am 29. Jänner in Villach passiert ist, lässt sich nur schwer in Worte fassen. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt versucht es trotzdem: Auf 15 Seiten wird in der Anklage beschrieben, warum eine Mutter und ihr fünfjähriger Sohn absichtlich totgefahren wurden. Die Staatsanwältin spricht von Doppelmord und offenbart unglaubliche Details.

Am Beginn steht die Angeklagte: Hass und Eifersucht haben sie nahezu zerfressen, heißt es.

Die 38-jährige Rumänin mit Studienabschluss in Kunst arbeitete 2019 auf einem Kreuzfahrtschiff. Dort lernte sie einen Mann aus Villach kennen, ein ranghohes Crewmitglied. "Plötzlich hatte sie jemanden vor sich, für den Geld kaum eine Rolle spielte, der sie großzügig einlud und mit Liebeserklärungen eindeckte", ist in der Anklageschrift beschrieben.
Es kam zu einer Beziehung. Die Angeklagte hatte jedoch ein Problem mit der Vergangenheit ihres Partners. Er hatte einen fünfjährigen Sohn und eine Ex-Freundin, die in Villach lebten. Die Angeklagte sei extrem eifersüchtig auf die beiden gewesen. Das Kind sei – aus ihrer Sicht – im Weg gestanden. Es war ihr auch "ein Dorn im Auge", dass ihr neuer Freund monatlich Unterhalt für seinen Sohn bezahlte, heißt es in der Anklage.

Eskalation in Flitterwochen

Die Beziehung nahm krankhafte Ausmaße an, die an einen Thriller erinnern. Schon auf der Fahrt in die Flitterwochen soll es zum Bruch zwischen der Rumänin und ihrem Ehemann gekommen sein. Sie stritten so heftig, dass er "in Panik zurück nach Villach gefahren ist". Und sie, die frisch verheiratete Frau, flog alleine in die Flitterwochen. So steht es in der Anklage.
Danach war klar: Die Ehe muss annulliert werden. Doch bei einem Gespräch über die Annullierung "kam es zu einer tätlichen Attacke der Angeklagten, indem sie ihren Mann stieß, sodass er die Treppe hinunterfiel", schreibt die Staatsanwaltschaft. Sie sei immer wieder tätlich gegen den Mann vorgegangen. Das sei nicht richtig, sagt Michael Hirm, der Anwalt der Angeklagten: "Diese Vorwürfe sind zu relativieren."

Stalking

Fest steht aber: Nach der Trennung stalkte die 38-Jährige ihren Ex. Das Ausmaß war genauso extrem, wie die Beziehung der beiden: 90 Anrufe in zwei Stunden, 300 E-Mails in drei Tagen. Laut Ermittlungen "begann die Frau auch das Umfeld ihres Ex-Mannes zu terrorisieren". Im Wohnort seiner Eltern verteilte "sie Zettel an Haushalte und Geschäfte", auf denen ihr Ex-Mann diskreditiert wurde. Es folgte laut Anklage eine einstweilige Verfügung, eine Ehrenerklärung und ein Betretungsverbot.

Doch der Hass der Frau sei immer größer geworden. Der Sohn ihres Ex-Mannes sei in ihrem Fokus gestanden. Sie schrieb grausame Dinge über den fünfjährigen Buben. "Ich akzeptiere nicht, dass er existiert", soll sie einmal gemeint haben. "Der Hass der Angeklagten auf das Kind wurde so groß, dass sie ihm sogar den Tod wünschte", steht an einer Stelle in der Anklageschrift.

"Mähte sie gnadenlos nieder"

Am 29. Jänner 2022 reiste die Angeklagte von einem anderen Bundesland nach Villach und buchte ein Zimmer. Sie fuhr zur Wohnadresse des Buben und seiner Mutter, die sie schon früher ausgekundschaftet haben soll. Etwa 50 Meter vom Tatort entfernt, vor einer Müllinsel, wartete sie im Auto auf ihre Opfer. Da erblickte sie die Mutter und das Kind. "Dann raste die Angeklagte gezielt auf den Buben und seine Mutter zu und mähte sie gnadenlos nieder", steht in der Anklageschrift. In der Wohnstraße war eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h. Die Angeklagte fuhr laut Gutachter 55 bis 65 km/h. Mutter und Kind starben an der Unfallstelle.

Die Staatsanwaltschaft fordert eine Verurteilung wegen zweifachen Mordes und eine Einweisung in ein "forensisch therapeutisches Zentrum" (früher Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher).

Kein Einspruch

Michael Hirm, der Pflichtverteidiger der Frau, hat keinen Einspruch gegen die Anklage erhoben. Er sagt: "Meine Mandantin ist im Wesentlichen geständig." Sie gibt zu, den zweifachen Mord begangen zu haben. Bestritten wird lediglich, dass der Tatplan so lange vorbereitet war, wie von der Anklagebehörde geschildert. Die Frau sei nach Villach gefahren, um zu schauen, wo die Ex-Partnerin und das Kind wohnen. "Als sie die beiden erblickte, ist sie aus dem Impuls heraus auf ihre Opfer zugefahren."

Laut Gutachter war die Frau zurechnungsfähig. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.