"Wir haben es aktuell mit einer schwierigen Lage zu tun, in der es österreichweit nach wie vor viel zu wenig Therapie- bzw. Kassenplätze gibt", warnt Christoph Schneidergruber, fachlicher Leiter der Ambulatorien von SOS-Kinderdorf Kärnten, in einer Aussendung anlässlich des Tages der Gesundheit am 7. April. Die Entwicklung sei besorgniserregend: Immer mehr Kinder und Jugendliche seien mit einer massiven Identitätskrise bzw. einer Orientierungslosigkeit konfrontiert. Schneidergruber: "Unsere Gesellschaft verliert zunehmend an Struktur." Diese nicht enden wollende, krisengebeutelte Zeit habe drastische Auswirkungen auf die Kinder und Jugendlichen. Ein weiteres Problem sei das Fehlen von Leitbildern. Und auch der Ort Schule löse bei vielen enormen Druck aus.

Das alles spürt man in den Hermann-Gmeiner-Zentren in Moosburg und Villach immer deutlich, wo im Quartal durchschnittlich 180 Kinder und Jugendliche ambulant betreut werden. Und die Wartelisten dort sind lange. "Wir sind ständig am Jonglieren, wer bräuchte jetzt mehr, wer kann einmal pausieren."

Nach den Strapazen aufgrund der Coronapandemie sei der Bedarf an psychiatrischer und psychotherapeutischer Versorgung so hoch wie nie, heißt es von SOS-Kinderdorf. "Durch krisengeplagten Alltag, überlastete Familien und die Darstellung oft unrealistischer Lebenswelten im Internet wird es der Jugend nicht leicht gemacht, authentische Vorbilder für eigene Werte zu finden", so Schneidergruber. Die Folgen: Ängste, sozialer Rückzug, Depression.

"ADHS" oder "Autismus"

Entwicklungen, die man auch bei "Rat auf Draht" beobachtet. Dort sei man zudem immer häufiger damit konfrontiert, dass Jugendliche aus Mangel an Alternativen Hilfe bei dubiosen Online-Anbietern suchen. Dort erhalten sie dann Fake-Diagnosen wie "ADHS" oder "Autismus". "Junge Menschen werden aktuell mit ihren Gesundheitsanliegen und dabei vor allem ihren psychischen Problemen zu lange im Stich gelassen", schlägt SOS-Kinderdorf Alarm. Diesbezüglich sei ein Handeln von vielen Seiten – Gesundheitsministerium, Ländern, Sozialversicherungsträgern, Ärztekammer – vonnöten. Das seitens der Bundesregierung installierte Projekt "Gesund aus der Krise" sei sehr wertvoll, müsse aber langfristig Standard werden.