"Gewalt gegen Frauen ist und bleibt ein Thema", sagt eine, die es wissen muss: Roswitha Bucher ist seit 24 Jahren im Gewaltschutzzentrum Kärnten tätig und hat tagtäglich mit Betroffenen in Kontakt. Im vergangenen Jahr wurden nicht weniger als 875 Betretungs- und Annäherungsverbote von der Polizei gegen Täter ausgesprochen und dem Gewaltschutzzentrum gemeldet. Dort wurden mit 1321 Betroffenen 6000 Beratungen durchgeführt. Eines davon fand mit Isabella (32, Name von der Redaktion geändert) statt. Sie erzählt ihre Geschichte, weil sie anderen Gewaltopfern zeigen möchte, dass es für sie Hilfe gibt.
Vom Traum zum Albtraum
2016 heiratet die Kärntnerin Martin (Name geändert). Sie leben in einer gemeinsamen Wohnung am Land, beide stehen fest im Berufsleben. Dann bekommt Isabella das erste gemeinsame Kind. Der Traum von der perfekten Familie scheint erfüllt. Doch nach drei Jahren Ehe verändert sich der Mann. Während sie mit dem ersten Kind schwanger ist, beginnt er nach einer cleanen Phase wieder Gras zu rauchen. Er gibt das Geld für Drogen aus und wird seiner Frau gegenüber immer aggressiver. "Ihm war es schon zu laut, wenn mein Kind und ich in der Früh aufgestanden sind", erzählt sie.
Er verbietet ihr den Kontakt zu ihren Freunden, selbst wenn sie mit ihrer Mutter oder ihrem Vater unterwegs ist, schickt er ihr unzählige Nachrichten. Noch nicht einmal im Supermarkt einkaufen gehen, kann die Frau, ohne ständig von ihm gedrängt zu werden, schnellstmöglich wieder nach Hause zu kommen. "Er hat mich völlig isoliert. Hat immer gesagt, ich hätte einen anderen Mann." Sie selbst empfindet die Situation damals zwar schon belastend, aber der Wunsch nach heiler Familie ist stärker.
Mit dem Messer durch die Wohnung
Dann kommt das zweite gemeinsame Kind und Isabella erzählt: "Er hat mir versprochen, dass er sich dann wieder zusammenreißt. Und ich habe ihm geglaubt." Doch weit gefehlt. Der psychische Druck, den ihr Mann auf sie ausübt, wird immer größer: "Irgendwann habe ich zwei Leben geführt. Unter der Woche war ich mit den Kindern bei meiner Schwester und es war alles gut. Am Wochenende hat er geraucht, geschlafen, geschrien – und war froh, wenn er wieder gefahren ist."
Anvertraut hat sie sich während dieser Zeit niemandem. Zu groß war die Scham, aber auch die Angst, dass die Familie auseinander gerissen wird. Der Weg zur Polizei war keine Alternative. "Ich war der Meinung, die glauben mir nicht." Bis zu einem ganz bestimmten Tag. "Martin ist ausgezuckt, weil ich zu dessen Geburtstag mit meinem Bruder essen gegangen bin. Er hat gesagt, er möchte, dass mein Bruder unter der Erde liegt, hat ein Messer genommen und ist damit durch die Wohnung gelaufen. Mein älteres Kind hat das alles mitbekommen und hat zu weinen begonnen. Zwei Tage später hab ich meine Sachen gepackt und bin zu meiner Mutter. Ich hatte Angst, dass er mir oder den Kindern etwas antut."
Isabella hatte Todesangst
Zur Polizei ging sie damals nicht. Zurück zu ihrem Mann ging sie aber auch nicht mehr. Sie versuchte, im Sinne der gemeinsamen Kinder, eine gütliche Lösung herbeizuführen. Bei einem der Treffen zuckte Martin dann aber völlig aus. "Er hat mich gewürgt, und zwar so lange und fest, dass ich geglaubt habe, er bringt mich um. Mein älteres Kind stand dabei daneben. Ich habe es noch schreien gehört, konnte mich aber nicht wehren."
Irgendwie kann sie sich aus der Situation befreien. Erst zehn Tage nach der Tat geht sie zur Polizei. Dort wird ein Betretungs- und Annäherungsverbot gegen Martin ausgesprochen und sie erfährt zum ersten Mal, dass es das Gewaltschutzzentrum gibt – und ihr dort geholfen wird.
Hilfe im Gewaltschutzzentrum
Und sie nimmt die Hilfe an. Gemeinsam mit ihrer Beraterin regelt sie alle weiteren Schritte. Von der Verlängerung des Annäherungsverbots über die Scheidung bis zum alleinigen Sorgerecht für die zwei Kinder. Immer wieder wurde sie während dieser Zeit von Martin bedroht. Doch diesmal zeigte sie jede Bedrohung an. Schließlich landete der Mann vor Gericht.
Nach einem Gerichtsprozess, bei dem Martin zu einer unbedingten Haftstrafe verurteilt wurde, sind jetzt endlich Ruhe und Normalität eingekehrt. "Ich ziehe mit den Kindern gerade in eine eigene Wohnung, beginne wieder zu arbeiten. Das habe ich nur mit der Unterstützung des Gewaltschutzzentrums geschafft."
Barbara Pertl