Als Dorit Kieslinger an der Uni-Graz an ihrer Magisterarbeit zum Thema "Blickverfolgung bei Makaken" schrieb, konnte die gebürtige St. Andräerin, die das Stiftsgymnasium in St. Paul absolvierte, noch nicht ahnen, dass sie ihr Karrierepfad letztlich in eine ganz andere Richtung führen würde.

Vom Tier zum Menschen

"Tiere beobachten hat mir zwar auch gefallen, letztendlich wollte ich aber immer, wie mein Bruder als Neurologe und mein Vater als Zahnarzt, Menschen helfen", sagt Kieslinger. Nach einem Auslandssemester in Amsterdam begann sie vor rund 14 Jahren ihre Tätigkeit als klinische Embryologin in einem Institut für künstliche Befruchtung in den Niederlanden. "Es gibt nichts Schöneres, als kinderlosen Paaren ihren sehnlichsten Wunsch nach Nachwuchs erfüllen zu können. Zum Glück hat sich in den letzten 20 Jahren unheimlich viel auf diesem Gebiet getan, trotzdem sind wir noch nicht da, wo wir sein wollen", resümiert Kieslinger. Jedes einzelne Mal, wenn es mit der Befruchtung nicht klappt, sei eine schmerzliche Erfahrung.

Dorit Kieslinger bei ihrer Arbeit am Institut für künstliche Befruchtung an der Universitätsklinik in Amsterdam
Dorit Kieslinger bei ihrer Arbeit am Institut für künstliche Befruchtung an der Universitätsklinik in Amsterdam © KK

Schließlich absolvierte die heute 40-Jährige die Ausbildung zur Embryologin und begann 2014 mit einer groß angelegten Studie, die sich mit Time-Lapse-Monitoring von Embryonen beschäftigt. Einfach erklärt: In der Studie wurde ein Gerät getestet, welches Embryonen engmaschig überwacht, indem im 5-Minuten-Takt Bilder im Brutkasten geschossen werden. Diese Technologie wird von immer mehr In Vitro Fertilisations (IVF)-Zentren angewendet, obwohl es noch gar keinen Beweis dafür gibt, dass das Verfahren die Erfolgschancen einer Behandlung tatsächlich erhöht. "An unserer Studie haben 1731 Paare in 15 holländischen Kliniken teilgenommen und damit ist es die weltweit größte Studie zu diesem Thema. Das Ergebnis unserer Forschungsarbeit ist, dass Time-Lapse-Monitoring die Schwangerschaftsrate leider sowohl nach dem ersten Embryotransfer als auch innerhalb eines Jahres nicht verbessern kann", so Kieslinger. Etwa die Hälfte der Teilnehmerinnen bekamen ein Baby und es gab keinen Unterschied zwischen der herkömmlichen und der neuen Methode. Die Studie wurde nun vom renommierten Wissenschaftsmagazin "The Lancet" veröffentlicht – ein Ritterschlag für Forscher.

Karriere in Teilzeit

"In Holland ist es zum Glück möglich, auch mit Teilzeitarbeit Karriere zu machen", sagt die zweifache Mutter. Drei Tage in der Woche arbeitetet und forscht sie, die restliche Zeit gehört ihrem holländischen Lebenspartner und ihren zwei Söhnen Lorenz (5) und Emil (3). "In Holland haben Väter mit kleinen Kindern Anspruch auf einen freien 'Papa-Tag' pro Woche – auch das erleichtert die Organisation", sagt Kieslinger. Als nächster Karriereschritt steht die Promotion an.

Privat tanzt die Wissenschaftlerin gerne Tango und spielt Ukulele. Ins Lavanttal verschlägt es die Familie übrigens immer noch regelmäßig: "Drei bis viermal im Jahr kommen wir auf alle Fälle zurück und besuchen Freunde und Familie. Ich lege viel Wert darauf, meinen Kindern die österreichischen Traditionen näherzubringen. Deshalb gibt es zu Ostern Reindling und zu Weihnachten echte Kerzen am Christbaum", so Kieslinger.