Selbst für Josef Bierbaumer von der Landespolizeidirektion Kärnten ist das Geschehene nicht ganz alltäglich: "Schreckschüsse sind bei uns wirklich eine Ausnahme." Gleich drei dieser Schüsse waren allerdings Sonntagnachmittag rund um den Bahnhof Kühnsdorf nötig. Der Grund? Ein 16-jähriger Bursche aus Bleiburg stahl dort um 14.56 Uhr einem wartenden Passagier aus Vietnam die Aktentasche und nahm Reißaus. Ein Rumäne, der auf seinen Anschlussbus wartete, beobachtete die Szenerie und nahm die Verfolgung Richtung Schulzentrum Kühnsdorf auf. Währenddessen wurde die Polizeistreife Eberndorf 1 alarmiert.
Als die Beamten den flüchtenden Einheimischen sahen, nahmen sie anstelle des Zeugen die Verfolgung auf. Es folgten "lautstarke Aufforderungen", stehen zu bleiben. Doch der 16-Jährige ignorierte diese und rannte weiter. Bis einer der Beamten seine Waffe zog und schoss. "Die Schüsse wurden gezielt in das lockere Erdreich zwischen den Zuggleisen abgegeben. Auf den Flüchtenden wurde nicht gezielt. Deshalb ist das kein Waffengebrauch gegen eine Person", erklärt Bierbaumer. Solche Signalschüsse können laut Bierbaumer dann abgegeben werden, wenn die Beamten "an ihren staatlichen Aufgaben" – in diesem Fall an einer Festnahme – gehindert werden. Ganz ohne Konsequenzen für den Schützen, so Bierbaumer: "Für gezielte Schüsse müssen genaue Vorgaben eingehalten werden. Bei Schreckschüssen handelt es sich um ein gelinderes Mittel."
Geld bleibt verschwunden
Das gelindere Mittel verfehlte seine Wirkung zumindest nach einer gewissen Zeit nicht. Der Schüler blieb nach dem dritten (!) Schuss stehen, wurde von den Beamten überwältigt und festgenommen. Er war sofort geständig und gab an, Aktentasche und Geld während der Flucht weggeworfen zu haben. Trotz sofortiger Nachschau durch Beamte und einen Diensthund blieb das Geld verschwunden. Der Bleiburger wurde auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Klagenfurt auf freiem Fuß angezeigt.
Verfolgung wird nicht empfohlen
Dass ein Zeuge die Verfolgung aufnimmt, sieht die Polizei nicht nur positiv. Auch wenn es in besagtem Fall alles gut ausgegangen ist und die Streife so sehr schnell den Verdächtigen im Visier hatte. "Privatpersonen, die einen Straftäter verfolgen, müssen sich immer im Klaren sein, dass dabei etwas passieren kann. Etwa, dass die Person bewaffnet ist. Der Selbstschutz steht immer über dem Fremdschutz", warnt Bierbaumer.
Barbara Pertl