Wenn der Herbert da ist, soll alles perfekt sein. Im Klagenfurter Lakesidepark wird schon lange vor dem Eintreffen des Parteichefs unermüdlich geübt. Fahnen schwenken, Mitsingen, Standing Ovations, Jubelarien. Und das alles zu "Sierra Madre". Die John Otti Band gibt wie gewohnt eine Mischung aus freiheitlichem Stimmungsbeschleuniger und Begrüßungskomitee samt organisatorischer Moderation ab – in einer Lautstärke, die jedem mitgebrachten Hörgerät die Arbeitsgrundlage entzieht.
Die Türen zum Veranstaltungssaal beim FPÖ-Wahlkampfauftakt für die Kärntner Landtagswahlen am 5. März sind keine drei Minuten geöffnet, schon sind alle Sitzplätze besetzt. Mehr als 1000 Anhänger, doppelt so viele wie erwartet, sind laut Partei gekommen. Bis ins Foyer hinaus stehen Zuhörer. Herbert Kickl zieht. Oder: "Wenn es läuft, dann läuft's", wie es eine hochrangige Parteifunktionärin ausdrückt.
Biblische Selbstankündigung
Knapp eine Woche nach dem Wahlerfolg der FPÖ in Niederösterreich ist es Kickls erster großer Auftritt. Der "verlorene Sohn" sei heimgekehrt, kündigt sich der Radentheiner dann selbst mit biblischem Ausmaß an. Wenn Höhenflug, dann richtig. Als Wahlsieger und bundesweiter Umfragekaiser lässt es sich noch leichter austeilen. Doch Kickl schlägt auch moderate Töne an. Ein gerechtes und leistbares Leben sollen die Menschen haben. Das Glück immer größer als die Sorgen.
Doch dabei sollte es natürlich nicht bleiben. Themen wie "Asylchaos" und "Völkerwanderung" kommen immer gut an. Corona scheint diesen Wahlkampf noch mehr zu befeuern. Man werde nicht vergessen, was die Politik den Menschen angetan habe. "Gesunde wurden im eigenen Land wie Aussätzige behandelt", erntet er neben Applaus auch durch die Reihen zustimmendes Nicken. Man spürt die Emotionalität, die bei Coronamaßnahmen – und vor allem beim Wort Impfpflicht – mitschwingt. Der aufgelegte Elfmeter des landesweit berühmt gewordenen Kärntner Genderwörterbuches wird selbstverständlich auch noch verwertet.
Fruchtbarer freiheitlicher Boden
Die Freiheitlichen sind fest entschlossen, den in Niederösterreich auf die Spitze getriebenen Erfolgslauf in Kärnten weiterzuführen. Zu zehn Prozent Zuwachs wird es wohl nicht reichen. Das Wahlziel wird sogar auffällig tief angesetzt. 25 Prozent und damit einen Prozentpunkt mehr als Udo Landbauer wünscht sich der Kärntner Spitzenkandidat Erwin Angerer. Nach 23 Prozent vor fünf Jahren nicht gerade ein Erdrutschsieg. Verkaufen würde man das Ergebnis dennoch als Sensation. Umfragen hätten die Blauen vor einem Jahr immerhin nur bei 15 Prozent gesehen.
Das Potenzial für ein "Blaues Wunder", wie es die Funktionäre immer wieder gerne nennen, wäre vorhanden. Das war in Kärnten schon immer so. "Kein freiheitlicher Boden ist fruchtbarer", weiß auch Kickl. Jörg Haider, dessen Name wie ein Mantra genannt wurde, sei Dank. Auch wenn die FPÖ nicht unbedingt dafür steht, ist das jubelnde Plenum durchaus divers. Viele Kärntner Anzüge, zwischendurch vereinzelt Krawattenträger oder Arbeitsmonturen werden ergänzt um Seniorengruppen, Kinderwägen und tätowierte Unterarme. "Machen wir das fertig, was Jörg Haider nicht vollenden konnte", ruft Kickl, der nach den Reden unzählige Selfie- und Autogrammwünsche abarbeitete, seinen frenetischen Anhängern zu. Man fühlte sich auch schnell wieder in diese Zeit zurückversetzt. Die blaue Welt ist wieder heil.
Niederösterreich und Kärnten sollen nur die ersten Schritte zur Eroberung des Landes gewesen sein. Der "verlorene Sohn" will Bundeskanzler werden, daran gibt es keinen Zweifel. Beim österreichweiten Rundumschlag wird niemand verschont. Dem Bundespräsidenten werde er "den Schädel wieder gerade richten". "Herbert, Herbert"-Sprechchöre folgten. Nicht zum einzigen Mal an diesem Abend.