"In dem Zahnlabor ist es zugegangen wie in einem Vogelhaus." Dieser Satz fiel am Donnerstag am Landesgericht Kärnten beim Prozessauftakt gegen sechs Angeklagte häufiger. Staatsanwältin Daniela Zupanc verglich das Zahnlabor eines der zwei Hauptangeklagten damit, aber auch später wurde die Metapher vom vorsitzenden Richter Christian Liebhauser-Karl sowie dem einen oder anderen Anwalt wieder aufgegriffen.
Und genau so musste man sich das wohl vorstellen. Untertags kümmerte sich der Besitzer des Dentallabors um seine Patienten, ab 17 Uhr um seine Kokain-konsumierenden Freunde und Bekannten. Diese gingen in dem Labor tagtäglich ein und aus, dies sollen auch die Aufnahmen einer Überwachungskamera beweisen, die im Zuge der Ermittlungen aufgestellt worden ist. Über 100 Abnehmer sind in den Akten des Gerichts vermerkt. Vor Gericht stehen sechs Männer, vorgeworfen wird ihnen der Suchtgifthandel im Rahmen einer kriminellen Vereinigung.
"Die Angeklagten kennen sich seit längerer Zeit, 2018 haben sie beschlossen, Kokain-Ein- und -verkäufe zu koordinieren. Auch weil es so leichter war, die eigene Sucht zu finanzieren", führte Zupanc aus. In der Gemeinschaft gab es, so die Staatsanwältin, eine klare Rollenverteilung. Das Zahnlabor des ersten Angeklagten, einem 54-jährigen österreichischen Staatsbürger aus Albanien, war der ideale Ort. Hier wurde Kokain aufbewahrt, gestreckt, konsumiert und verteilt. Der zweite Angeklagte, ein 37-jähriger albanischer Staatsbürger, sei die rechte Hand des Zahntechnikers gewesen. Er soll vorrangig für die Beschaffung von rund zwei Kilogramm Kokain zuständig gewesen sein. Während der 54-Jährige bislang unbescholten war, wurde der 37-Jährige in Italien einschlägig verurteilt. "Ich war damals jung und habe nicht viel darüber nachgedacht", versuchte er, sich zu verteidigen.
Eigene Sucht finanziert
Beide Männer bekannten sich schuldig, der 54-Jährige von Anfang an – er hatte auch bei seiner viertägigen Vernehmung maßgeblich zur Aufklärung beigetragen, der 37-Jährige erst im Gerichtssaal. Beide gaben an, ihren eigenen Konsum durch den Verkauf finanziert zu haben. Der Laborbesitzer sagte: "Wenn der letzte Patient weg war, habe ich angefangen. Am Schluss waren es zwei Gramm jeden Tag." Zumeist bekam er das Kokain von dem 37-jährigen Angeklagten. Ein Drittel konsumierte er selbst, zwei Drittel verkaufte und verschenkte er: "Ich fühle mich ausgenutzt von den Leuten. Sogar meine Mitangeklagten haben mir gesagt, dass mich andere ausnutzen, aber das hab' ich nicht wahrhaben wollen."
Am nächsten Donnerstag wird der Prozess fortgeführt, dann werden nicht nur die restlichen vier Angeklagten gehört, auch die ersten Urteile sollen gefällt werden. Dann wird das Schöffengericht entscheiden, ob manche der Männer das "Vogelhaus" letztendlich gegen einen "Käfig" eintauschen müssen.