"Ich hatte dienstfrei und war zu Hause in Wolfsberg, da kam der Anruf aus Wien: In Klagenfurt ist eine MiG gelandet, fahr hin und untersuch den Vorfall", erzählt Dieter Szolar. Das war am Vormittag des 25. Oktober 1991, als der Kroate Rudolf Perešin mit einer MiG-21 der jugoslawischen Volksarmee nach Klagenfurt desertierte. Dieter Szolar war Pilot beim österreichischen Bundesheer. Er flog Draken, war Flugausbilder und später Kommandant der Kunstflugstaffel "Karo As". Heute ist der Oberst im Ruhestand und offiziell von seiner Verschwiegenheit entbunden. "Damals lief alles unter strenger Geheimhaltung."
Selbstzerstörungsmechanismus
Am Flughafen angekommen war der MiG-Pilot bereits in die Landespolizeidirektion überstellt worden und man wollte die Maschine gerade in den Militärhangar rollen. "Ich habe es verhindert, weil ich Sicherheitsbedenken hatte. Es war ja ein Zivil-Flughafen. Zunächst sollte die Polizei und nicht das Bundesheer die Bewachung übernehmen." Szolar ordnete an, dass die Maschine nur mithilfe des MiG-Piloten bewegt werden darf. "Zum Rangieren braucht es für jeden Flugzeugtyp spezielles Werkzeug, die Maschine hätte beschädigt werden können. Außerdem verfügen MiGs über einen Selbstzerstörungsmechanismus, es war nicht klar, ob diese einen verbaut hatte."
Anschlag befürchtet
So blieb sie am Rollfeld, rund um die Uhr bewacht von der Polizei. Erst Tage später kam der Abfangjäger in den Hubschrauberhangar des Bundesheers, nachdem das Gebäude elektronisch abgesichert worden war. "Das geschah in einer geheimen Nachtaktion. Geheimagenten der jugoslawischen Volksarmee hätten ohne viel Mühe und ohne den Flughafen betreten zu müssen mit einer Handgranate alles hochgehen lassen können", erzählt Szolar. Dort versteckt durften nur Bundesheer-Techniker und ein MiG-Mechaniker aus der ehemaligen DDR an den Düsenjäger. "Es war kein Selbstzerstörungsmechanismus verbaut", sagt Szolar und lacht.
Wem gehört die MiG?
"Von den Jugoslawen hörten wir erst Jahre später", sagt Szolar, "sie wollten sie konservieren." Szolar sollte das Vorhaben organisieren und überwachen, er willigte ein, nachdem ihm vom Büro des damaligen Außenministers Alois Mock (ÖVP, 1987-1995) der offizielle Status zur MiG bestätigt wurde. "Ich musste ja wissen, was ich tun soll, falls die Serben den Flieger einpacken wollen." Mocks Antwort: "Die Besitzverhältnisse sind unter den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien nicht geklärt. Die Maschine bleibt in Österreich". Zu dem Zeitpunkt stellten Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina Besitzansprüche.
Entführung geplant
Vom Geheimdienst erfuhr Szolar, dass nicht nur technisches Personal, sondern auch ein MiG-Pilot kommen sollte. "Uns war klar: Sie wollten die Maschine entführen. Eine MiG kann von jeder Wiese starten, sie braucht keine Startbahn. Bei einem Triebwerkstest hätten sie ohne weiteres davondüsen können." Szolar ließ deshalb gemeinsam mit dem damaligen Flughafendirektor Hans Laubreiter (1983-2004) Vorkehrungen treffen. "Wir haben die MiG auf die Wiese gestellt und alles, was da war, um sie platziert. Schneepflüge, Pistenkehrmaschinen und anderes schweres Gerät. Flucht unmöglich."
Techniker aus Belgrad kamen
Den ersten Termin ließ man platzen, wenige Tage später landete doch eine YAK-Maschine der jugoslawischen Volksarmee aus Belgrad in Klagenfurt. "Nur die Techniker stiegen aus, alle anderen blieben in der Maschine sitzen", sagt Szolar und erzählt, er habe der serbischen Mannschaft einen "Techniker" des österreichischen Bundesheeres zur Seite gestellt, der war allerdings vom Heeresnachrichtendienst, verstand Serbisch und wusste über jeden Schritt Bescheid. "Sie hätten ja auch Sprengstoff deponieren können während der Wartungsarbeiten." Nach vollbrachter Konservierung flog die Besatzung wieder nach Belgrad, die MiG blieb in Klagenfurt.
Ins Museum
Bald danach wurde das Flugzeug an einen geheimen Ort in Niederösterreich gebracht. "In eine Holzhütte und der Zustand wurde immer schlechter. Da wuchs nach einiger Zeit sogar Gras aus dem Fahrwerk." Szolar urgierte und die Maschine wurde ins Heeresgeschichtliche Museum in Wien und danach ins Militärfahrtmuseum in Zeltweg überstellt. 2019 wurde die Maschine an Kroatien übergeben und in Einzelteilen nach Zagreb gebracht. "Ich bin der Ansicht, dass das nicht richtig war, denn die Besitzverhältnisse sind noch immer unklar", sagt Szolar und legt gleichzeitig ein zurückbehaltenes Teil der MiG-21, eine Befestigungsgewinde für Bomben, zurück in eine Vitrine seiner Sammlung.