"Bei den Corona-Maßnahmen für Unternehmen hat es geheißen: 'Koste es, was es wolle!' Genau das erwarte ich mir jetzt in diesen Zeiten auch für die Menschen", fasst es Caritas-Kärnten-Direktor Ernst Sandriesser zusammen. Und die Zahlen geben ihm (leider) Recht.
Von Jänner bis Ende September 2022 wurden bereits 7721 Menschen bei der Caritas vorstellig – mehr als im gesamten vergangenen Jahr (6748 Anträge). Darunter waren 3013 Neuanträge, also Personen, die zum ersten Mal Unterstützung brauchen. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 waren es 1126 Kärntnerinnen und Kärntner. 117.800 Euro an Spendengeldern wurden im heurigen Jahr bereits ausgeschüttet. Um 224 Prozent (!) mehr als im vergangenen Jahr. 93.000 Euro wurden für Miet- und 35.000 Euro für Energiekostenzuschüsse in die Hand genommen. Zusätzlich wurden 120.000 Euro aus Bundesmitteln benötigt, um 41 Delogierungen zu vermeiden.
93.000 Kärntner armutsgefährdet
Sandriesser und auch Christian Eile, Bereichsleiter von Menschen in Not, weisen eindringlich darauf hin, dass die Armut weiter zunehmen wird. "93.000 Menschen gelten in Kärnten derzeit als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. 78.000 von ihnen verdienen unter 1371 Euro im Monat", weiß Eile. Und die Situation wird immer dramatischer: "Die Armut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen."
Merklich zugenommen hat auch die Nachfrage bei der Caritas-Lebensmittelausgabe (LEA): Wöchentlich werden inzwischen 550 Betroffene dort versorgt. Im vergangenen Jahr waren es "nur" 500. Schon jetzt ist auch die Nachfrage in den Notschlafstellen (NOST) zu bemerken, obwohl der Winter noch gar nicht Einzug gehalten hat. 2935 Nächtigungen waren es bis Ende September, vergangenes Jahr waren es im selben Zeitraum 2835 Nächtigungen.
Pullover statt Heizung, Balkon statt Kühlschrank
"Schon jetzt erzählen uns die Menschen, dass sie mit zwei oder drei Pullovern zu Hause sitzen, weil sie sich das Heizen nicht mehr leisten können. Oder dass sie ihre Lebensmittel auf den Balkon stellen, weil der Kühlschrank zu teuer ist", erzählt Sandriesser aus der Praxis. Traurige Realität ist auch, dass 85 Prozent aller Klientinnen und Klienten nach Abzug aller Fixkosten, allerdings ohne Lebensmittel, mit 270 Euro im Monat auskommen müssen.
"Unsere Wartelisten werden immer länger. Das größte Problem ist, dass immer mehr Kinder und Jugendliche davon betroffen sind. Armut wird vererbt und es wird immer schwieriger, sie aus diesem Teufelskreis zu holen", zeichnet Eile ein düsteres Bild.
Jeder Cent zählt
Deshalb appellieren die beiden Experten an jeden und jede Einzelne, solidarisch zu sein: "Wir werden nicht ärmer, wir werden nur weniger reich. Es zählt jeder Cent und jede Unterstützung." Und auch in Richtung Bundespolitik gibt es eine Ansage, wenngleich es viel Lob in Sachen Teuerungsausgleichszahlungen gibt: Es brauche eine Reform der Sozialhilfe sowie eine Anhebung der Mindestpensionen. Die finanzielle Unterstützung müsse "sozial treffsicherer" werden.
Mit der #WirhelfenHymne wollen Mitarbeiter der Caritas sowie die beiden Seelsorge-Ämter der katholischen Kirche den Unterstützerinnen und Unterstützern nicht nur eine Stimme, sondern einen ganzen Chor verleihen:
Barbara Pertl