Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Graz kann man als handfeste Überraschung bezeichnen: Das OLG hat den Beschluss des Landesgerichts (LG) Graz zu einem Kärntner Zahnarzt aufgehoben, in dem diesem eine Geldbuße und Schadenswiedergutmachung angeordnet worden war.
Damit muss das Strafverfahren gegen den Mediziner fortgesetzt werden. Ihm werden schwerer gewerbsmäßiger Betrug und Körperverletzung vorgeworfen. Der Zahnarzt soll bei Patienten unnötige Eingriffe vorgenommen und Leistungen mit der Krankenkasse falsch verrechnet haben. Bei einer Verurteilung droht dem Arzt eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.
Berufsverbot verhängt
Die Ermittlungen gegen den Mann hatten mehrere Jahre lang gedauert, ins Rollen gebracht hatte sie die Patientenanwaltschaft, die mehr als 50 Beschwerden gesammelt hatte. Im September 2017 wurde gegen den Zahnarzt ein Berufsverbot verhängt, er musste seine Praxis schließen.
Im vergangenen November musste er sich dann vor Gericht verantworten. Der Prozess war rasch vorbei und endet mit einer Überraschung – zumindest für Außenstehende: Der Richter machte dem Angeklagten ein Angebot für eine diversionelle Erledigung. Doch erst nach sechs Monaten lag das Diversionsangebot vor.
Der Richter hatte für dessen Erstellung so lange gebraucht, weil der Beschuldigte vor Gericht über sein Vermögen keine Auskunft gegeben hat. Daher musste sich der Richter erst einen Überblick über dessen finanzielle Situation verschaffen. Dem Zahnarzt wurde laut Straflandesgericht Graz eine Diversion in Höhe von 189.000 Euro (darin sind anteilsmäßig Prozesskosten enthalten) angeboten. Zusätzlich muss der Beschuldigte knapp mehr als 51.000 Euro Schadensgutmachung an die Sozialversicherungsträger, Kärntner ÖGK und BVA, zahlen.
"Schwere Schuld des Angeklagten"
Obwohl der Mediziner bereits bezahlt hat, ist die Sache für ihn nicht erledigt. Denn die Staatsanwaltschaft (StA) Graz hat sich von Anfang gegen die Diversion ausgesprochen und dagegen Beschwerde beim OLG Graz eingebracht. Mit Erfolg. Das Oberlandesgericht ist in seinem Beschluss, er liegt der Kleinen Zeitung vor, im Wesentlichen der Argumentation der StA gefolgt und hat den Beschluss des LG aufgehoben.
Die "schwere Schuld des Angeklagten" widersprechen ebenso einer Diversion wie "generalpräventive Hemmnisse". Würde trotz dieser Punkte das Strafverfahren eingestellt, "wäre dies massiv geeignet, das Vertrauen in die Bevölkerung in die Effektivität des Strafverfahrens zu erschüttern", schreibt das OLG-Graz in seiner Begründung: "Es bedarf daher der Durchführung eines Strafverfahrens, um (…) der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken".
Wann das Strafverfahren gegen den Zahnarzt fortgesetzt wird, steht noch nicht fest. Fest steht hingegen, dass in Graz weiterverhandelt wird, von jenem Richter, der bisher zuständig war.