Kärnten wählt anders – nicht zum ersten Mal. Was bei der Bundespräsidentenwahl im Jahr 2016 so war, hat sich auch diesmal bewahrheitet. Wie schon vor sechs Jahren schneidet Alexander Van der Bellen hier deutlich schlechter ab als im Rest Österreichs. Das vorläufige Endergebnis (ohne Wahlkarten) weist für den Amtsinhaber 44,36 Prozent aus – Kärnten ist damit das einzige Bundesland, in dem Van der Bellen keine absolute Mehrheit erreicht und in eine Stichwahl müsste. "Kärnten ist ein schwieriges Land für mich", sagte Van der Bellen am Wahltag zur Kleinen Zeitung.
Walter Rosenkranz (FPÖ) kommt in Kärnten auf 25,45 Prozent der Stimmen. Dahinter folgen Tassilo Wallentin (10,21 Prozent), Gerald Grosz (8,19 Prozent), Dominik Wlazny (8,19 Prozent), Michael Brunner (2,14 Prozent) und Heinrich Staudinger (1,46 Prozent). In 22 von 132 Kärntner Gemeinden hat Rosenkranz sogar mehr Stimmen als Van der Bellen erhalten. Dieser liegt letztlich jedoch in allen Bezirken in Front. Wie schwer sich der Bundespräsident in Kärnten tut, zeigt auch der Blick auf die Ergebnisse von 2016. Im ersten Wahlgang kam Van der Bellen damals auf nur 14,3 Prozent – hinter FPÖ-Kandidat Norbert Hofer (38,8 Prozent) und Irmgard Griss (22,9 Prozent). In der Wiederholung der Stichwahl am 4. Dezember 2016 gewann Hofer (54,6 Prozent) in Kärnten deutlich gegen Van der Bellen (45,4 Prozent).
"Die Erben Jörg Haiders sind noch immer da"
Wie lässt sich der „Sonderfall Kärnten“ erklären? „Die Wähler in Kärnten sind rechtspopulistischer Politik einfach nicht abhold“, sagt der Meinungsforscher Peter Hajek. „Offensichtlich sind die Erben Jörg Haiders noch immer da.“ Generell sei das Umfeld für „Mitte-links-Kandidaten“ derzeit schwierig, der Frust sei groß. Hajek sieht auch eine „fehlende Mobilisierung für den Kandidaten Van der Bellen in Kärnten“. Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat zwar seine Unterstützung ausgesprochen, „wirklich mobilisiert hat die SPÖ aber nicht“, sagt Hajek. Dazu kommt, dass sich Grüne und Neos in Kärnten traditionell schwertun. Die Kärntner Grünen feiern Van der Bellens Ergebnis trotzdem als Erfolg. „Im Vergleich zu 2016 ist die Zustimmung von Van der Bellen gewachsen“, sagt Landessprechern Olga Voglauer.
Kaiser freut sich, dass dem Land „demokratiepolitisch bedenkliche Experimente“ erspart geblieben sind, und lobt Van der Bellen: „Nicht immer ist das schnelle, scharfe Wort das richtige Mittel, sondern Besonnenheit und ruhige, überlegte Worte.“ Der Kärntner ÖVP-Chef Martin Gruber ist erleichtert, dass dem Land „in schwierigen Zeiten ein zweiter Urnengang erspart bleibt“. FPÖ-Chef Erwin Angerer spricht von einem „tollen Ergebnis in Kärnten“, ist generell aber nicht zufrieden. „Wir hätten einen Präsidenten gebraucht, der sich schützend vor die Bevölkerung stellt.“
"Warnsignal für die Sozialdemokratie"
Mit Blick auf die Kärntner Landtagswahl im März 2023 spricht Hajek von einem „Warnsignal für die Sozialdemokratie in Kärnten“. Warum? Aufgrund der anhaltenden Krisen mit Teuerungswelle und Energiekrise drohen wie in anderen Bundesländern Verluste für den Amtsinhaber, wie Hajek sagt. In Kärnten freilich von einem sehr hohen Niveau – 2018 hatte die SPÖ mit Spitzenkandidat Peter Kaiser 47,9 Prozent der Stimmen erreicht.
434.371 Personen waren gestern in Kärnten wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag vorerst bei nur 53,27 Prozent. 57.450 Wahlkarten wurden ausgestellt.
In der Landeshauptstadt Klagenfurt schaffte Van der Bellen mit 51,6 Prozent die absolute Mehrheit, in Villach kommt er nur auf 46,3 Prozent. Besonders knapp war das Rennen im Bezirk Feldkirchen – mit 36,1 Prozent für den Amtsinhaber und 31,9 Prozent für Rosenkranz.
Die Kärntner Gemeinde Nötsch veröffentlichte ihr Wahlergebnis zu früh - offenbar aufgrund eines technischen Fehlers.