Eine junge, berufstätige Frau hat nach medikamentöser Behandlung plötzlich wieder psychotische Schübe, fühlt sich dann selbstsunsicher, hat massive Ängste, zweifelt an der Realität und ihrer Wahrnehmung. Ein Mann in den besten Jahren, nach einem Sportunfall schwer verletzt, stürzt in Folge in eine tiefe Depression, fühlt sich nicht mehr vollwertig, ist ständig gereizt, will nicht mehr aufstehen, verfällt dem Alkohol. Er wird von seiner Frau im Psychosozialen Therapiezentrum Villach angemeldet, wo er und auch die junge Frau ein Paket an psychologischen und psychotherapeutischen Behandlungen erhalten können, anstatt in der psychiatrischen Ambulanz im Krankenhaus vorstellig zu werden.
Die junge Frau wäre aufgehoben in psychoedukativen Gruppen und beim Selbstsicherheitstraining, für den ehemaligen Sportler würden sich neben Entspannungstherapie andere Bausteine finden, die im multidisziplinären Portfolio des Zentrums zur Verfügung stehen, schildert Christa Rados, Leiterin des Fachbereiches Erwachsene im ersten Psychosozialen Therapiezentrum Kärntens, das vor wenigen Tagen in der Villacher Innenstadt eröffnet wurde und auch für Kinder und Jugendliche ausgerichtet ist. Es bietet Beratung, Betreuung und Behandlung auf Krankenschein, womit die Kabeg laut Vorstand Arnold Gabriel "strukturelles Neuland" betrete. Die Finanzierung über die Gesundheitskasse sei noch nicht ganz ausverhandelt, jetzt zahle noch das Land über den Kärntner Gesundheitsfonds mit.
Damit wolle man den im Vormarsch befindlichen psychischen Erkrankungen entgegnen, sagt Gesundheitsreferentin Beate Prettner, die das Pionierprojekt trotz Gegenwind von Anfang an unterstützt hat. Damit könne man mitten in der Stadt Lösungen anbieten, "die die Bevölkerung dringend braucht". Nächstes Jahr solle eine analoge Einrichtung in Klagenfurt eröffnet werden. In Folge sollen mobile Teams die Versorgung in allen Bezirken übernehmen.
Das neue Psychosoziale Therapiezentrum mit einem erfahrenen 18-köpfigen, multiprofessionalen Team aus dem psychologischen, musik- und ergotherapeutischen Bereich stehe psychisch Kranken mit komplexem Therapiebedarf zur Verfügung, sei aber keine Konkurrenz für den stationären und niedergelassenen Bereich, betont Rados. Das Therapiezentrum schließe eine wichtige Lücke zwischen stationärer und tagesklinischer Versorgung und solle eine Drehscheibe im Dschungel der Therapien sein. "Es kann jeder kommen, der das Gefühl hat, mit mir stimmt etwas nicht." Nach Clearing und Diagnose werde entschieden, wo der oder die Betroffene am besten aufgehoben wäre. Ärztliche Betreuung werde derzeit aus rechtlichen Gründen noch nicht angeboten. Ziel sei jedoch die Überführung in ein Ambulatorium, kündigte Gabriel an.
Geballte Ladung an Fachwissen
Das Zentrum ist in einem eigenen Bereich auf Kinder und Jugendliche mit psychologischem Betreuungsbedarf spezialisiert. Ein wichtiger Punkt sie die Elternarbeit, betont Brigitta Lienbacher, Leiterin des Fachbereiches Kinder und Jugendliche. Austausch und Kooperation mit dem Erwachsenenbereich sei förderlich für die Behandlung von Jugendlichen ab 18 Jahren, die Nachbehandlung in Familie und Schule gehöre zur Betreuung. Der Verlauf der Behandlung werde evaluiert, das Ziel sei die Rückkehr gesunder Kinder in die Familie. "Kinder und Jugendliche können mit oder ohne Eltern ins Zentrum kommen." Ein Termin sei von Vorteil, für spontane Besuche gebe es den Journaldienst.
Die "geballte Ladung an Fachwissen" unter einem Dach hebt Beate Prettner hervor. Angeboten wird zum Beispiel auch Bio- und Neurofeedback, das dem Stressabbau dient, erklärt Psychologin Michaela Frank. Das Zentrum stehe auch Menschen mit ausgeprägten Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen als Anlaufstelle zur Verfügung, sei aber nicht für Eheberatung, Sucht oder Demenz zuständig, präzisiert Rados.
Ziel sei die "verlässliche und kontinuierliche" Betreuung in einem Ambulatorium in Kooperation mit den Klinikabteilungen und niedergelassenen Ärzten, betont Neurologe und Psychiater Manfred Freimüller, Wegbereiter des Psychosozialen Therapiezentrums, das er nach Wiener Vorbild schon vor Jahren angeregt hat. "Menschen mit psychischen Problemen soll ermöglicht werden, in ambulanter Betreuung ein freies und selbstbestimmtes Leben führen zu können."
Elke Fertschey