Seit Ausbruch der Pandemie 2020 wissen wir nahezu in Echtzeit Bescheid, wie viele Kärntner aktuell mit dem Coronavirus infiziert sind. Doch wie haben sich in diesem Zeitraum Grippe und grippale Infekte in Kärnten entwickelt, wie sieht es mit Krankenständen aus? Ein Blick auf die Krankenstands-Statistik der österreichischen Gebietskrankenkasse (ÖGK) der Jahre von 2019 bis 2022 (Kalenderwoche 38) zeigt Erstaunliches.

12.132 Kärntner waren heuer in der Zeit vom 19. bis zum 25. September im Krankenstand, gegenüber dem Vorjahr (11.575) ein Anstieg um knapp fünf Prozent, gegenüber 2020 (9095) um 29 Prozent und um 17 Prozent mehr als vor Corona im Jahr 2019 (10.304). Besonders die grippalen Erkrankungen stiegen dieses Jahr markant an, 2403 Kärntner mussten deshalb das Bett hüten. Das sind 76 Prozent mehr als 2019 (1326) und sogar 122 Prozent mehr als 2020 (730). Im Vergleich zum Vorjahr (1829) erkrankten knapp ein Drittel mehr.

Seit zwei Wochen merklicher Anstieg

Diese Entwicklung sehen auch die Allgemeinmediziner in Kärnten, sagt Ärztekammerpräsident Markus Werner Opriessnig: "Seit etwa zwei Wochen steigt das Patientenaufkommen bei den niedergelassenen Ärzten in Kärnten massiv an." Dass im Moment viele Kärntner Medikamente gegen eine grippale Viruserkrankung brauchen, kann auch der Präsident der Apothekerkammer, Hans Bachitsch, bestätigen: "Wir hatten schon im Sommer einmal einen merklichen Anstieg an viralen Erkrankungen festgestellt. Sehr viele Kunden mit Kopf- und Halsschmerzen und negativem Coronatest kamen zu uns. Nun haben die grippalen Infekte wieder richtig Fahrt aufgenommen. Früher als in den Vorjahren."

Ärztekammerpräsident Markus Werner Opriessnig erwartet heuer viel Krankmeldungen
Ärztekammerpräsident Markus Werner Opriessnig erwartet heuer viel Krankmeldungen © (c) Thomas Hude

Die Gründe dafür sind vielfältig. "Zum einen markiert diese Woche das Ende der Ferienzeit und den Beginn der Schulzeit, das sorgt jedes Jahr für einen Anstieg an Erkrankungen. Heuer kam noch der Kälteeinbruch hinzu, was die sozialen Kontakte noch mehr und früher als sonst in die Innenräume verlagert hat", sagt Bachitsch. Tatsächlich kann die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) diesen Faktor für den früheren Anstieg grippaler Infekte untermauern. "Wir hatten im September 2019 Durchschnittstemperaturen von 15,5 Grad, heuer sind die um mehr als 4 Grad gefallen und lagen bei 11,2", sagt Meteorologe Paul Rainer. Die Temperaturen der Pandemiejahre 2020 und 2021 bewegten sich auf dem Niveau von 2019. "Dieses nasskalte Wetter der letzten Wochen ist natürlich ein besonderer Infektionstreiber", sagt Opriessnig.

Präsident der Apothekerkammer, Hans Bachitsch
Präsident der Apothekerkammer, Hans Bachitsch © KK/Privat

Es wird noch steigen

Man rechnet aber damit, dass die grippalen Infekte wie üblich erst im Oktober so richtig Fahrt aufnehmen werden. "Neben dem Wetter macht sich vor allem der Verzicht auf die Maske heuer bemerkbar. Im Gegensatz zu Corona werden grippale Effekte nicht primär über die Atemluft und Aerosole verbreitet, sondern durch Tröpfcheninfektionen. Ohne Maske, regelmäßige Desinfektion und mit näherem Kontakt haben wir alle erwartet, dass neben Corona auch andere Viruserkrankungen wieder im Vormarsch sein werden", sagt Bachitsch.

Außentemperaturen und Hygienemaßnahmen sind dafür verantwortlich, wann und wie stark die herbstliche Erkrankungswelle startet. Heuer spielt beides den grippalen Infekten in die Hände und auch die Coronazahlen nehmen deshalb wieder deutlich an Fahrt auf. Dass unser Immunsystem durch "Social Distancing", Maske und Desinfektion die letzten zwei Jahre geschwächt wurde und es deshalb zu mehr grippalen Infektionen kommt, glaubt Bachitsch allerdings nicht: "Unser Immunsystem hat ein sehr gutes Gedächtnis, in zwei Jahren vergisst es nicht, sich gegen grippale Viren zur Wehr zu setzen."

Corona-Dunkelziffer?

Für Ärztekammerpräsident Opriessnig gibt es einen weiteren Faktor für den Anstieg der "grippalen Infekte" und der Krankenstände: "Wir haben bei Corona mittlerweile eine sehr hohe Dunkelziffer. Viel Infektionen bleiben trotz gewissenhafter Testung unerkannt und so werden Patienten dann mit einem grippalen Infekt krankgeschrieben." Für den heurigen Winter rechnet der Mediziner mit sehr vielen Krankenständen: "Die milderen Omikron-Varianten werden sich kaum in der Krankenhausbelegung bemerkbar machen, aber sie werden stark steigen und die Volkswirtschaft wird es spüren. Mitarbeiter werden an allen Ecken und Enden fehlen, auch in der medizinischen Versorgung."