In einem Tunnel ist es kühl – möchte man glauben. Nicht aber im Koralmtunnel, über dem sich 1200 Meter Felsmassiv türmen. Das Thermometer zeigt 30,5 Grad und obwohl riesige Ventilatoren die Luft aus der Steiermark 25 Kilometer weit in Richtung Kärnten blasen, kommen die Arbeiter ins Schwitzen. Acht Kilometer weit ist der Autor von St. Paul im Lavanttal aus in Begleitung von ÖBB-Projektleiter Klaus Schneider und Baustellenkoordinator Markus Pfeiffer zu einem Lokalaugenschein vorgedrungen – um Zeuge zu sein, wenn der nächste und letzte Meilenstein des gigantischen Koralmbahn-Projekts in Angriff genommen wird.

Die "Zigarre" mischt im Koralmtunnel den Beton, den die Arbeiter auftragen
Die "Zigarre" mischt im Koralmtunnel den Beton, den die Arbeiter auftragen © Thomas Hude

Der Rohbau des Tunnels, des Herzstücks der 130 Kilometer langen Bahn, ist auch auf Kärntner Seite fertig. "Jetzt erfolgt der dreijährige Endspurt", sagt Schneider angesichts des seit 1999 laufenden Marathon-Unternehmens. Tunnel-Randwege und das Bankett werden erstellt. Mithilfe einer "Betonzigarre", einem gigantischen Mischer, der 15 Kubikmeter Beton fasst, werden die Leitungen einbetoniert. Nun können die ersten der 13.000 Gleistrageplatten verlegt werden. Jede einzelne ist fünf Meter lang, zwei Meter breit und wiegt fünf Tonnen. Die Anlieferung der Platten erfolgt umweltfreundlich per Schiene. Sie werden von der Produktionsstätte aus Niederösterreich über die steirischen Portale direkt in den Koralmtunnel gebracht. Auf den Platten werden die 120 Meter langen Schienenstücke befestigt. Mehr als 20 von insgesamt 66 Kilometern in den beiden Röhren sind geschafft. Alles auf Schiene!

Querschläge vorgeschrieben

Alle 500 Meter sind Querschläge vorgeschrieben, die die beiden Röhren miteinander verbinden und als Fluchtwege dienen. Es folgen eine ganze Reihe moderner Anlagen: Erschütterungsschutz, Lärmschutz, Tunnelsicherheit, elektronische Stellwerke, Steuerungs- und Energietechnik, Kommunikationseinrichtungen. Auch interne, damit die Koralmbahn mit dem Rest der ÖBB-Welt kommunizieren kann. Auf halber Strecke wird sogar ein Notbahnhof errichtet, der einen Kilometer lang ist – quasi ein Bahnhof im Berg.

Baustellenkoordinator Markus Pfeiffer, ÖBB-Projektleiter Klaus Schneider und Bahn-Pressesprecherin Rosanna Zernatto-Peschel (von links)
Baustellenkoordinator Markus Pfeiffer, ÖBB-Projektleiter Klaus Schneider und Bahn-Pressesprecherin Rosanna Zernatto-Peschel (von links) © Thomas Hude

Die Luftqualität in den Röhren haben die Verantwortlichen ständig am Radar. Technikräume werden auch während des Betriebs in drei Jahren belüftet werden, der Tunnel selbst nur jetzt während der Bauphase. Später können die Züge diesen Dienst übernehmen, wenn sie mit 250 Stundenkilometern durchrauschen.

"370 Arbeiter sind im Koralmtunnel 24 Stunden und sieben Tage in der Woche im Schichtbetrieb tätig", erklärt Baustellenkoordinator Pfeifer, der auch Sicherheitschef ist. Weil die Sauerstoffversorgung versagen könnte, müssen sie verpflichtend in Griffweite ein Sauerstoff-Selbstretter-Gerät mitführen.

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Schulungs- und Testfahrten

Ende 2024 soll der Tunnel fertiggestellt sein, das letzte Jahr bis zur Inbetriebnahme ist für Bewilligungen, Schulungs- und Testfahrten reserviert. Letztere werden übrigens sogar mit 275 km/h durchgeführt. "Freigegeben wird der Tunnel schließlich für 250 km/h", sagt Schneider. Die aktuellen Railjets schaffen 230 km/h, aber auch diese Geschwindigkeit garantiere eine Fahrdauer von 45 Minuten zwischen Graz und Klagenfurt.

Derzeit ist bei dem Mega-Projekt alles im Zeitplan. "Aber ich will nicht verhehlen, dass es noch Risiken auf dem Weg zum Ziel gibt", betont Schneider. Corona sei schon ein Problem gewesen. "Und jetzt haben wir viele Detailzulieferer und Einzelverantwortliche. Ich hoffe, dass es keine Lieferprobleme gibt, denn es müssen stets alle Zahnräder ineinandergreifen." Um in der Eisenbahnersprache zu bleiben: Man hat noch Puffer, will diese aber nicht ausreizen.