Wenn Menschen sterben, wird das gerne umschrieben. Zum Beispiel mit der Formulierung, dass sie "ihre letzte Reise antreten". Im Fall des autoritär regierenden jugoslawischen Staatschefs "Marschall" Josip Broz Tito war dies wörtlich zu nehmen. Sein aufgebahrter Leichnam fuhr von Laibach, wo der Diktator kurz vor seinem 88. Geburtstag im Mai 1980 verstorben war, quer durchs Land nach Belgrad: stilecht wie zu Lebzeiten an Bord des eigens für Tito angefertigten Luxuszuges "Plavi voz".
Das außergewöhnliche Fortbewegungsmittel sollte sich robuster erweisen als der Staat, dem es einst gedient hat. Jugoslawien steht auf dem Abstellgleis der Geschichte, während der 1947 in Betrieb gegangene "Blaue Zug" ("Plavi voz" auf Deutsch) noch immer fährt – zumindest teilweise. Für Nostalgietouren unter dem Motto "Balkan-Romantik" werden einzelne Garnituren regelmäßig aus der Remise geholt. "Das sind dann echte Zeitreisen", schwärmte Christoph Posch, ÖBB-Pressesprecher und Eisenbahnhistoriker.
Rundgang durch Titos Zug
Der Regierungszug a. D. wird von der serbischen Staatsbahn gehegt und gepflegt, als wäre Tito erst gestern vom Tisch aufgestanden. Retro-Luxus pur: Das edle Porzellan trägt das jugoslawische Staatswappen. Es ist frisch poliert und glänzt wie die Edelhölzer, mit denen die Waggons innen ausgestattet sind. Roter Samt umspannt die Wagenübergänge. Das Bett Titos ist gemacht, der Schreibtisch (mit Telefon) aufgeräumt und das angrenzende Badezimmer natürlich in Blau gehalten. Ein paar Meter weiter, im herausgeputzten Salonwagen, könnte sofort wieder ein Gipfeltreffen stattfinden. Hier hat der Machthaber Staatsgäste wie Queen Elizabeth II. oder Haile Selassie, den letzten Kaiser von Abessinien, empfangen.
"Tito hat diesen Zug geliebt und in ihm mehr als 600.000 Kilometer zurückgelegt", sagt Dragan Jovanović von "Balkan-Romantik". Im Februar 1967 kurvte der Diktator damit auch durch Österreich. Die ÖBB hatten damals gerade neue Lokomotiven angeschafft und spannten diese an der Grenze stolz vor den "Blauen Zug". Zusätzlich musste eine Dampflok mitfahren, um die Heizung im "Plavi voz" am Laufen zu halten. Sie konnte mit dem Tempo der neuen Maschinen allerdings nicht mithalten und musste laut Posch "fertig gefahren", also im Murtal wieder abgekoppelt werden. Tito soll dann bis Wien gefroren, aber mit Humor reagiert haben: "Im Krieg war es schlimmer."
Zuletzt ließ der jugoslawische Staatschef seinen Zug von amerikanischen Diesellokomotiven ziehen. "Warum nicht? Tito hat ja die Organisation der neutralen blockfreien Staaten gegründet", lacht Jovanović. Dennoch gibt es einen Punkt, in dem sich die Nostalgiefahrten von den echten Reisen des "Marschalls" unterscheiden: Es gibt keine Extra-Lok mehr, die vor dem Luxuszug "sicherheitshalber" erkundet, ob die Strecke wirklich frei ist.