Wie nah uns der Krieg in der Ukraine auch in Österreich ist, bekommt man spätestens dann mit, wenn man mit Ukrainerinnen und Ukrainern zusammenarbeitet. So wie mit Anastasiya Davydenko. Die 24-jährige Ukrainerin ist seit zwei Jahren Graveurin und Art Director im Betrieb von Messerproduzent Thomas Schurian in Feldkirchen.
"Ihre Familie in Kiew war zuerst entspannt. Man dachte einen Tag vor den ersten Einschlägen noch, es werde nicht eskalieren", sagt Schurian. "Als in der Nacht darauf die ersten Schüsse fielen und sie in der Früh durch Maschinengewehrsalven munter geworden sind, haben sie realisiert, dass es Zeit wird, die Stadt zu verlassen."
18 Stunden saß Anastasiya Davydenkos Familie im Auto, um die Strecke von Kiew zur ungarischen Grenze hinter sich zu bringen, normalerweise würde man den Weg in zwei Drittel der Zeit schaffen. Aus logistischen Gründen hat die Familie die ungarische der polnischen Grenze vorgezogen, dort wollte sie Davydenko gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und Werkstättenleiter Thomas Schrödl abholen.
Oma im Gefängnis
Papa, Schwester (13), Cousine (17), Cousin (11), Tante und Oma kamen an der ukrainisch-ungarischen Grenze an. Zwei Stunden zuvor hätten sie diese noch alle sechs problemlos passieren dürfen, nun schafften diese letzte Etappe aber nur fünf Familienmitglieder: "Der Vater durfte nicht ausreisen, da alle Männer im kampffähigen Alter bleiben müssen", erklärt Schurian die Situation.
Damit aber nicht genug, denn die Oma der Familie musste für 17 Stunden ins ungarische Gefängnis. "Sie hatte keinen gültigen ukrainischen Pass und bis alle Formalitäten geklärt waren, musste sie in Gefangenschaft. Zum Glück hat man sie dann aber weiterreisen lassen."
Davydenko und Schrödl holten die Familie mit einem geliehenen Bus ab, nach elf weiteren Stunden Fahrt kamen schließlich alle in Feldkirchen an, wo sie in Schurians Betriebswohnung einzogen. Bleiben dürfen sie, solange sie wollen. Doch richtig realisiert hat man die Situation noch nicht: "Gerade die beiden jüngeren Kinder glauben, sie werden nächste Woche wieder in Kiew in die Schule gehen, weil sie eine Schularbeit haben."
Gute Zusammenarbeit mit Russland
Für Schurian war es selbstverständlich, die Familie seiner Mitarbeiterin aufzunehmen: "Man muss nur Mensch sein, dann versteht man, das hätte auch unsere Cousine, unsere Schwester, unsere Oma sein können." Der Unternehmer fertigte in seiner Laufbahn bereits zahlreiche hochwertige Messer an – auch für bekannte Kunden. Einer von ihnen war Wladimir Putin.
Schurian ist es wichtig, nicht ganz Russland zu verurteilen: "Ich habe wirtschaftlich immer gut mit Russland zusammengearbeitet, ich liebe das Land, die Leute und hoffe, dass sich alles wieder beruhigt." Putin selbst habe er persönlich kennengelernt: "Ich war immer sehr positiv ihm gegenüber eingestellt. Der Krieg ist aber unmenschlich und natürlich verurteile ich das."