"Anna telefoniert fast rund um die Uhr." Für Alex Barendregt, Erfinder des World Bodypainting Festivals, und seine Ehefrau Anna ist der Krieg in der Ukraine seit Tagen das wichtigste Thema. Anna Barendregt stammt aus Luhansk in der Ostukraine. Jener Teil des Staates, der sich nach einem Krieg 2014 als Volksrepublik Luhansk unabhängig erklärt hat. Damals zog sie und ihre Familie in die Hauptstadt Kiew, seit 2012 sind Anna und Alex Barendregt verheiratet und leben in Kärnten. "Ich fühle mich ein wenig hilflos, weil ich meinen Landsleuten kaum helfen kann", sagt Anna Barendregt.

Kinder weinen und schreien

"Viele Verwandte und Freunde sind noch in der Ukraine. In Kiew, Charkiw, Odesa oder in Dnipro. Sie erzählen uns, wie die russischen Raketen um sie herum einschlagen", sagt Alex Barendregt. "Einige Freunde leben seit Tagen in einer U-Bahnstation in Kiew, die auch als Luftschutzbunker genutzt wird." Aus Telefonaten mit ihnen wisse man, wie belastend das ist. "Die Kinder weinen und schreien, alle sind verzweifelt. Keiner will einen Fehler machen, um nicht verletzt oder getötet zu werden", sagt Alex Barendregt.

Alex und Anna Barendregt bei einem Besuch in der Ukraine
Alex und Anna Barendregt bei einem Besuch in der Ukraine © Privat/KK

Ein paar Freunde versuchen sich mit dem Auto aus der Stadt Dnipro nach Rumänien durchzuschlagen, müssen aber wegen Raketenangriffen immer wieder stoppen. "Eine Freundin ist mit ihren Kindern einige Tage vor Kriegsausbruch von Prag nach Kiew geflogen, um dort wichtige Dokumente abzuholen. Jetzt sitzt sie im Grenzgebiet zu Ungarn fest", sagt Alex Barendregt.

Freunde bewaffnen sich

Doch nicht alle ihre Freunde wollen fliehen. "Manche stellen sich um Waffen an, um ihr Heimatland zu verteidigen. Sie sind sehr entschlossen und wissen, dass es für sie auch schlecht enden kann", sagt Alex Barendregt. In den zwei, drei Wochen vor dem Angriff Russlands sei die Stimmung auch in der Ukraine immer aggressiver geworden, der Nationalstolz enorm gewachsen. "Viele Ukrainer, die sich vor einiger Zeit ein Zusammenleben mit Russen vorstellen konnten, wollen jetzt nichts mehr davon wissen."

Müssen Brüder in den Krieg?

Mit dem Einmarsch in die Ukraine droht auch Anna Barendregts Brüdern (20 und 22 Jahre) Gefahr: die Einberufung in die russische Armee und damit möglicherweise ein Einsatz in ihrer alten Heimat Ukraine. "Als sie aus Luhansk flüchten mussten, haben sie nur russische Pässe erhalten." Bisher hätten sie sich erfolgreich gegen den Wehrdienst gewehrt. "Aber ich weiß nicht, ob das weiter gelingt. Ich habe Angst um sie", sagt die 30-Jährige. Dass ihre Brüder tatsächlich gegen Ukrainer kämpfen werden, kann sie sich nicht vorstellen. "Da werden sie wohl eher erneut flüchten."

Klare Botschaft bei einer Protestaktion im Jahr 2018
Klare Botschaft bei einer Protestaktion im Jahr 2018 © Privat/KK

Die Barendregts waren mehrmals in der Ukraine, zuletzt 2020. "Es ist so ein schönes Land, das jetzt zusammengebombt wird, deren Bewohner getötet werden." Zwei Jahre zuvor hat der Kärntner in Kiew schon deutlich Flagge gezeigt. Bei einer Protestaktion haben er und andere Künstler ihre Abneigung gegenüber Wladimir Putin zum Ausdruck gebracht. "Davon waren und sind vieler unserer russischen Freunde nicht begeistert. Das zeigt auch, wie schwer es ist, sich Putins Propagandamaschine zu entziehen", sagt Alex Barendregt.