Im November hat Verkehrs- und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Zuge der Evaluierung österreichweiter Straßenbauvorhaben der Asfinag auch das Aus für den Sicherheitsausbau der Friesacher Straße B317 (von Scheifling in der Steiermark bis nach St. Veit-Nord) verkündet. Das Land Kärnten will diese Entscheidung auf keinen Fall hinnehmen und hat bereits im Dezember den renommierten Verfassungsjuristen Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieses sollte die Frage klären, ob die Ministerin überhaupt befugt gewesen ist, das bereits laufende und im Bundesstraßengesetz verankerte Projekt zur Planung des Sicherheitsausbaus einseitig aus Klimaverträglichkeitsgründen zu stoppen? Weiters sollte geklärt werden, ob die Asfinag aufgrund vertraglicher Regelungen bereits eine Verpflichtung entstanden ist, die Übernahme für den Ausbau voranzutreiben?
Ministerin muss Ausbau vorantreiben
Jetzt liegt das Gutachten des Juristen auf dem Tisch. Es könnte möglicherweise auch für andere Straßenprojekte in Österreich, wie etwa den Bau des Lobautunnels, Folgen haben.
"Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass die Ministerin rechtswidrig gehandelt und ihre Kompetenzen ganz klar überschritten hat", sagt Straßenbaureferent Landesrat Martin Gruber (ÖVP). Im Gutachten, das der Kleinen Zeitung vorliegt, heißt es wörtlich: "Die zuständige Bundesministerin ist nicht befugt, in das operative Geschäft der Asfinag in der Form einzugreifen, dass sie geplante Straßenbauvorhaben – im konkreten Fall den Sicherheitsausbau der B317 – einseitig stoppen kann." Weiters heißt es, dass durch die Aufnahme ins Bundesstraßengesetz die gesetzliche Verpflichtung bestehe, "die dort angeführten Bundes- und Schnellstraßen möglichst zeitnah zu realisieren. Es besteht daher für die Bundesministerin die rechtliche Verpflichtung, den Sicherheitsausbau der B317 weiter voranzutreiben".
Amtshaftungsklage denkbar
Das Land Kärnten überlegt sich jetzt, rechtlich gegen den Stopp des Ausbaus vorzugehen. In Betracht kommen eine Amtshaftungsklage gegen die Ministerin und zivilrechtliche Schritte gegen die Asfinag. Die Schadenersatzansprüche können sich laut Gutachten auf alle Kosten beziehen, die dem Land Kärnten durch weitere Verzögerungen des Sicherheitsausbaus erwachsen. "Ein Rechtsstreit ist aber nicht unser Ziel", sagt Gruber. "Unser Ziel ist es, dass die Planungen wieder aufgenommen werden." Man werde die Ministerin jetzt neuerlich zu einem Lokalaugenschein auf die unfallträchtige B317 einladen und das Gespräch suchen. Bis Mitte Feber wolle man ihr Zeit einräumen. Bis dahin müsse die Ministerin zu diesem Thema parlamentarische Anfragen beantworten. Aus ihren Antworten würden sich dann weitere Schritte ergeben.
Wirtschaftsreferent Landesrat Sebastian Schuschnig (ÖVP) bekräftigt ebenfalls die immense Bedeutung des Ausbaus dieser unfallträchtigen Strecke und spricht von einer "katastrophalen Fehlentscheidung", welche man sowohl politisch als auch gegebenenfalls rechtlich bekämpfen werde.
Reaktion der Ministerin
Aus dem Klimaschutzministerium heißt es auf Anfrage der Kleinen Zeitung: Neben den bekannten Kriterien wie der Verkehrssicherheit, der Verkehrsplanung, sowie wirtschaftlichen und regionalen Bedürfnissen stand beim Check des Asfinag-Bauprogramms erstmals auch der Schutz von Klima und Umwelt im Zentrum. "Das Ergebnis der Evaluierung für die S37 kommt auf Basis aller Faktoren zu dem Schluss, dass die Neubaustrecke nicht weiter verfolgt wird", wird mitgeteilt. Das Ministerium verweist auf das Rechtsgutachten von Dragana Damjanovic, die zum Schluss kommt: "Mit der Festlegung der Straßen im Verzeichnis erklärt der Bundesgesetzgeber die Straße zu Bundesstraßen und legt damit die Zuständigkeit des Bundes fest. Es handelt sich insofern um eine Ermächtigungsnorm, aus der keine Verpflichtung abzuleiten ist - jedenfalls nicht, dass die angeführten Straßen innerhalb einer bestimmten Frist zu realisieren sind."
Der Sicherheitsausbau zwischen St. Veit-Süd und Maria Saal werde laut Ministerium aber realisiert. Der Asfinag-Aufsichtsrat hat dieses Bauprogramm im Dezember beschlossen.
Unfallträchtige Strecke
Matthias Zernatto, stellvertretender Landesdirektor des ÖAMTC, spricht sich ebenfalls klar für einen Ausbau aus. Die S37/B317 von Klagenfurt zur Landesgrenze "entspricht nicht den heutigen Sicherheitsstandards", sagt er. Es fehlen sowohl Pannenstreifen als auch bauliche Mitteltrennungen. "Es gibt einen dringenden Handlungsbedarf", sagt er.
Astrid Maria Legner, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Kärnten, verweist auf eine jüngst durchgeführte Umfrage unter den Mitgliedern: So hätten 78 Prozent der Unternehmer gesagt, dass eine Absage für sie negative Auswirkungen hätte. Über 50 Prozent beanstanden den Straßenzustand bis St. Veit, über 70 Prozent den Zustand der B 317 (ab St. Veit-Nord bis Landesgrenze).
Die B317 gehört zu den unfallträchtigen Strecken Kärntens. In den vergangenen 20 Jahren hat es allein hier über 340 Unfälle mit 529 Verletzten und 17 Todesopfern gegeben. 25.000 Fahrzeuge sind täglich auf der S37/B317 von Klagenfurt bis zur Landesgrenze unterwegs, wobei eine Verlagerung des Schwerverkehrs auf diese Strecke festgestellt wurde.
FPÖ: Gruber muss sofort handeln
FPÖ-Parteichef Erwin Angerer fordert Landesrat Gruber zum sofortigen Handeln auf: "Statt zu einem Lokalaugenschein einzuladen, muss das Land die Ministerin auffordern, für die sofortige Freigabe des B317-Ausbaus zu sorgen. Wenn das nicht geschieht, sind rechtliche Schritte einzuleiten."
Mutige grüne Entscheidung
„Klimaministerin Leonore Gewessler trifft mutige Entscheidungen für die Zukunft: für den Klimaschutz, für die Anwohnerinnen und Anwohner und vor allem: gegen neue Transitrouten“, sagt Olga Voglauer, Landessprecherin der Grünen Kärnten. Der Sicherheitsausbau der S37 (zwischen Klagenfurt und St. Veit) stehe für das Klimaministerium aber außer Frage, so Voglauer.
Claudia Odebrecht