Ein Oberkärntner aus Weißbriach im Gitschtal versteht die Welt nicht mehr. Er lebt gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in einer 60-Quadratmeter-Wohnung, die beiden Partnern als Hauptwohnsitz dient. Mitte November erkrankt der Orthopädietechniker an dem Coronavirus, er begibt sich in Absonderung. Nun erhielt er eine Strafverfügung, da er trotz Covid-19-Infektion mit seiner Lebensgefährtin weiterhin in einer Wohnung zusammenlebte. Auf diesen Verstoß des Kontaktverbots stehen 300 Euro oder alternativ sechs Tage Haft. Das berichtete der ORF.
Bestätigt wurde das Strafmaß auch vom Leiter des Landespressedienstes, Gerd Kurath. Wie viele dieser Strafen bisher verhängt wurden, könne er nicht sagen, verwies aber auf die Möglichkeit des Einspruchs. „Die Menschen sollen unbedingt davon Gebrauch machen, wenn sie meinen, dass sie ungerechtfertigt behandelt wurden", sagte Kurath in einem ORF-Interview.
"Wo soll die Lebensgefährtin hin?"
Dieser vermeintlichen Ungerechtigkeit hat sich nun auch ein Anwalt aus Hermagor angenommen. "Voraussetzung für jede Strafbarkeit ist ein rechtmäßiges Alternativverhalten. Ich muss die Möglichkeit haben, mich so zu verhalten, dass ich nicht strafbar bin. Das geht hier aber nicht, denn wo sollte denn die Lebensgefährtin hin? Er kann sie nicht aussperren, sie kann in kein Hotel, die sind geschlossen. Sie kann nicht zu Verwandten, das ist laut Corona-Maßnahmen verboten", sagt er. Drei Fälle vertritt der Jurist bereits und legte Einspruch ein.
Daten aus der Kontaktverfolgung für ein Strafverfahren zu benutzen - wie es hier der Fall war, der Oberkärntner gab beim Contact Tracing an, mit seiner Lebensgefährtin zusammenzuwohnen - untergrabe laut dem Anwalt das Recht von Beschuldigten, sich selbst nicht belasten zu müssen.
"Kranke Vorgehensweise"
Entrüstet zeigt sich Team Kärnten-Chef Gerhard Köfer über die Behördenpraxis, dass mehrere Kärntner Strafverfügungen erhalten haben, weil sie trotz Corona-Infektion weiterhin mit dem Partner im selben Haushalt zusammengelebt haben: „Wie krank ist diese Vorgangsweise bitteschön? Wo soll der Partner hin ,flüchten'? Ein Verbleib in der gemeinsamen Wohnung bzw. im gemeinsamen Haus ist in 99 Prozent aller Fälle völlig alternativlos.“
Zudem weist Köfer darauf hin, dass oftmals die Lebenspartner Corona-Kranke pflegen bzw. betreuen müssen: „Dürfen sie das zukünftig auch nicht mehr?“ Köfer fordert, dass diese "völlig wirre und weltfremde Vorgehensweise" der Behörden sofort abgestellt wird und schließt sich auch jenen Rechtsmeinungen an, die hier von einer glasklaren Verfassungswidrigkeit ausgehen.
"Liebste auf die Straße setzen"
Kritik kommt auch von der FPÖ. "Eine Behörde, die Menschen dazu zwingen will, engste Angehörige aus der gemeinsamen Wohnung zu werfen und sie in die Obdachlosigkeit zu drängen, lässt Menschlichkeit und Empathie vermissen. Man fragt sich, wer solche Corona-Verordnungen erlassen und auch wer diese vollziehen kann", kommentiert der Kärntner FPÖ-Parteichef Klubobmann Gernot Darmann den dargestellten Fall.
Aus Sicht von Darmann werfe es ein bezeichnendes Licht auf das Corona-Krisenmanagement, wenn das Strafamt schneller agiere als das Gesundheitsamt. „Vor Corona-Absonderungsbescheiden erhalten Bürger Strafbescheide“, ärgert sich Darmann.
Es sei auch beschämend, wenn die Landesregierung diese Strafen damit begründet, dass die Bundesregierung solche vorschreibe und die Betroffenen ja Berufung einlegen könnten. „Selbst wenn dies der Fall ist, kann es nicht sein, dass einzelne Juristen in den Bezirkshauptmannschaften den Menschenverstand ausschalten und solche absurden Vorgaben blind vollziehen.“
Er fordert abschließend Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ), den Chef des inneren Dienstes der Landesregierung auf, alle ausgesprochenen Strafen für selbstverständliche Kontakte mit Lebensgefährten in der gemeinsamen Wohnung für nichtig zu erklären.
Reaktion vom Land Kärnten
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser haben die Bestimmungen des Bundes zum Handeln veranlasst: „Ich erwarte mir, dass die Bundesregierung die jetzt publik gewordene realitätsferne Regelung rasch beseitigt!“ Bis es soweit ist, sollten derartige Strafbescheide, die die Bezirkshauptmannschaften im Zuge der mittelbaren Bundesverwaltung als direkt der Bundesregierung untergeordnete Behörde erlässt, ausgesetzt werden. Kaiser werde die notwendigen Änderungen auch schriftlich und im Zuge der nächsten Videokonferenz am 4. Jänner bei der Bundesregierung urgieren.
„Das Land Kärnten hat hier keinerlei Handhabe, die Verantwortung dafür liegt einzig und allein beim Bund, der jetzt gefordert ist“, macht der Landeshauptmann deutlich. Er gehe davon aus, dass in diesem Zusammenhang bisher verhängte Strafen nicht rechtsgültig werden.
Es sei bedauerlich, dass mit solchen jenseitigen Strafbestimmungen das Vertrauen der Bevölkerung für notwendige Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie gefährdet werde. „Es reicht nicht, Regelungen und Bestimmung auf einem Reißbrett im stillen Kämmerlein zu entwerfen. Eine verantwortungsvolle, bevölkerungsnahe Politik setzt diese Regelungen auch in Einklang mit der Lebensrealität der Menschen“, so Kaiser abschließend.