Wenn es um das Entdecken vergessener Plätze geht, entwickeln sie sich zu echten Spürhunden: Georg Lux, Deskchef der Kleinen Zeitung, und der Kleine-Fotograf Helmuth Weichselbraun waren im Alpen-Adria-Raum auf der Suche nach sogenannten Lost Places. In ihrem Buch „Verfallen & vergessen“, erschienen bei Styria, haben sie diesen geschichtsträchtigen Orten ein Denkmal gesetzt.
Der Spaziergang beginnt am früheren Bahnhof von Tarvis, einst von Millionen von Reisenden auf dem Weg in den Süden frequentiert. Heute ist dort keine einzige Fensterscheibe mehr heil, die Natur erobert die Bahnsteige zurück. Auf dem alten Grenzübergang am Loibl finden sich noch Spuren von Kaiser Karl VI., der hier am Beginn des 18. Jahrhundert mit seinem Gefolge auf der Durchreise war. Die monumentalen Obelisken ließen damals die Kärntner Landstände errichten. Inzwischen steht die Straße nur mehr Mountainbikern und Wanderern offen, die selten wissen, auf welch geschichtsträchtigem Boden sie sich befinden. Und die, wenn sie im Gasthof „Deutscher Peter“ einkehren, kaum ahnen, dass dessen Name ebenfalls auf den Vater Maria Theresias zurückgeht.
Wer weiß denn schon, dass auf dem Grund des Freibacher Stausees im Rosental ein ganzes Dorf liegt? Alle 15 bis 20 Jahre tauchen die versunkenen Ruinen auf, wenn die Kelag den See leert. Dann kann man Tausende von Muscheln sehen, die an den Resten der Häuser kleben - neues Leben an einem Ort, der einst von Menschen bewohnt war. Wird diese Mondlandschaft erneut geflutet, ist der See ein Paradies für Badende und Taucher.
Weiter führt die abenteuerliche Spurensuche das Duo Lux-Weichselbraun nach Italien. Die gewaltigen Vogelfanganlagen von Montenars südlich von Gemona kommen heute nicht mehr zum Einsatz. Sie werden aber von der Gemeinde, den Grundbesitzern und einem Verein nach wie vor liebevoll gepflegt. „Es ist ein Glücksfall, wenn Vereine oder Privatpersonen versuchen, verlassenen Orten ihrer näheren Umgebung neues Leben einzuhauchen, um sie vor dem Vergessen zu bewahren“, erklärt Lux. In Montenars ist das beispielhaft gelungen. Die Anlagen, im Mittelalter Todesfalle für unzählige Zugvögel, sind zu einem Dorado für die gefiederten Gesellen geworden.
Einsturzgefahr
Im kroatischen Rijeka ragt noch heute die weltweit erste Torpedo-Abschussrampe ins Meer. Sie ist inzwischen so ramponiert, dass Einsturzgefahr besteht. Von diesem beeindruckenden architektonischen Gerippe wurden die ersten und letzten österreichischen U-Boote zu Wasser gelassen. Wo noch in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts der Champagner in Strömen floss, tropft heute Regenwasser von der Decke. Das Hotel Haludovo auf der Insel Krk ist völlig heruntergekommen. Dennoch spürt man das Flair der Vergangenheit, als bei rauschenden Festen an einem einzigen Tag bis zu hundert Kilo Hummer vertilgt wurden. Die Plünderungen im Inneren beweisen, dass auch vergessene Plätze ihre Profiteure haben.
Ulrike Greiner