„Ich hoffe inständig, dass ich meinen Kindern wenigstens kleine Geschenke unter den Christbaum legen kann. Von einem Festessen zu Weihnachten können wir ohnehin nur träumen.“ Lydia ist eine alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Kindern, sie arbeitet in Teilzeit und hat keinen, der sie bei der Betreuung unterstützt. Fleisch, Obst und Gemüse landen nur selten in ihrem Einkaufskorb und jetzt beginnt erst die Zeit, in der Heizkosten die Monatsausgaben noch weiter in die Höhe schrauben.
Wie Lydia kämpfen viele Menschen in Kärnten mit den Folgen der dramatischen Teuerung und hohen Energiekosten. Vor allem Frauen und Kindern fehlt das Geld für das Lebensnotwendigste – fürs Essen, die Miete oder für die Stromrechnung. „Über 6300 Menschen sind in den ersten drei Quartalen des Jahres schon zu uns gekommen, weil sie kein Auskommen mit ihrem Einkommen haben“, sagt Caritas-Direktor Ernst Sandriesser. Die Armut in Österreich sei weiblich, aber auch immer jünger. Von den 6360 unterstützten Menschen waren 2380 Frauen und 2030 Kindern. „Die Not ist oft unsichtbar und mit Scham behaftet. Viele Menschen haben Angst“, weiß Sandriesser.
Gerade Frauen falle es aber oft schwer, bei der Caritas um Hilfe zu bitten. „Es ist ein großer Schritt für viele. Sie fühlen sich als Versagerinnen, die nicht für sich und ihre Familie sorgen können. Am Ende des Monats reicht das Geld oft nicht einmal mehr für den Einkauf von Lebensmitteln“, sagt Nina Pokorny, Diplomsozialpädagogin und Mitarbeiterin in der Caritas-Sozialberatung. Aber nicht nur alleinerziehende Mütter sind betroffen: „Eine Pensionistin hat wochenlang ohne Strom gelebt, kalt gegessen und ihr Handy irgendwo auswärts aufgeladen. Jetzt im Herbst, als es kälter wurde, bat sie um Hilfe.“
Christian Eile, Caritas-Bereichsleiter für Menschen in Not, erklärt, warum Armut immer häufiger Frauen trifft: „Es gibt einfach nach wie vor Gender-Gaps: Frauen verdienen für die gleiche Arbeit weniger als Männer, Frauen kümmern sich vorrangig um die Erziehung der Kinder, Pflege von Verwandten, den Haushalt und erhalten dafür kein Geld. Und am Ende hatten Frauen zwar viel Arbeit, aber nur wenig Erwerbsarbeit.“ Das führt zu einer viel geringeren Pension. Ähnlich sieht es bei armen und armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen aus. „Das ist eine Abwärtsspirale. In Armut geboren, heißt: in Armut leben, heißt: Armut vererben“, sagt Eile.
Wohnkosten belasten oft am meisten
„Viele Familien, die in oder in der Nähe von Armut leben, haben angesichts explodierender Strom-, Heiz- und Mietkosten das riesige Problem, die monatlichen Fixkosten zu decken“, so Eile. Eine aktuelle Sonderauswertung der Statistik Austria im Auftrag der Caritas zeigt nochmals deutlich eine Kluft zwischen Alleinerzieherinnen und der Gesamtbevölkerung. Waren die alleinerziehenden Frauen in Österreich Ende 2021 mit 24 Prozent um zehn Prozentpunkte mehr als die Gesamtbevölkerung von einer Wohnkostenbelastung betroffen, so spürten sie Anfang 2023 aufgrund der Maßnahmenpakete der Bundesregierung eine kurze Entspannung. Kurz darauf stieg die Belastung wieder stark an, sodass bis Anfang 2024 schon 41 (!) Prozent der Alleinerzieherinnen unter erheblichen Wohnkosten litten.
Die Caritas und Direktor Sandriesser appellieren daher an die Bevölkerung: „Gerade jetzt brauchen wir Zusammenhalt und Solidarität. Gerade jetzt zählt jede Spende, weil Frauen und Kinder eine gute Zukunft verdienen und das Geschlecht nicht das Armutsrisiko bestimmen darf.“
Forderungen an die Politik
Aber Sandriesser und Eile fordern auch von der Politik Reformen zur Armutsbekämpfung, eine echte Gleichstellung von Mann und Frau und ein Ende der Gender-Gaps. Für Care-Arbeit – von der Kinderbetreuung bis zur Pflege – müssten gesetzlich anerkannte Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es brauche neben besseren Arbeitsbedingungen und einer höheren Entlohnung in frauenspezifischen Bereichen eine hochwertige und flächendeckende Kinderbetreuung, Ganztagsschulen und Pflege-Angebote.