Psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, war in der Vergangenheit für viele Menschen mit Scham behaftet. Über Ängste, Sorgen und Probleme zu sprechen, war für diese undenkbar. Doch seit einigen Jahren sei ein Wandel im Gange, wie Expertinnen und Experten feststellen. „Die Menschen sind seit der Corona-Pandemie zugänglich für Psychotherapie. Auch junge Menschen sind bereit, sich Hilfe zu holen“, sagt Margret Tschuschnig, Vorsitzende des Kärntner Landesverbandes für Psychotherapie (KLP), anlässlich des heutigen Welttages der psychischen Gesundheit. Dieser wurde 1992 von der Weltgesundheitsorganisation ausgerufen. Ziel ist es, die psychische Gesundheit zu fördern und das Stigma zu reduzieren.

War man in Kärnten im Jahr 2018 laut Tschuschnig österreichweit Vorreiter bei kassenfinanzierter Psychotherapie für Kinder und Jugendliche, so gibt es seit heuer auch ein entsprechendes Angebot für Erwachsene, um das man sich jahrelang bemüht hatte. „Der Verband hat nun einen Vertrag mit der Österreichischen Gesundheitskasse über 10.000 Einheiten“, sagt Tschuschnig. Das sei ein guter Start, man hoffe aber, dass das Kontingent aufgestockt werden könne (im Kinder- und Jugendbereich sind es 18.000 Einheiten; Anmerkung) und dass auch andere Versicherungsträger ins Boot geholt werden können. Diese 10.000 Einheiten sind von der Kasse vollfinanziert, für die Patienten fallen keine Kosten an. Erforderlich ist eine ärztliche Zuweisung.

Krisen als Auslöser

Die Erfahrung zeigt, so Tschuschnig, dass sich in Kärnten Frauen wie Männer gleichermaßen Hilfe bei den Psychotherapeutinnen und -therapeuten des KLP suchen. Die Themen reichen von Angststörungen, Panikattacken, Depressionen bis hin zu Zwangsstörungen. Ihren Ausgang nehmen psychosomatische Erkrankungen häufig durch Krisen in Partnerschaft, Ehe und bei der Arbeit. „Es ist statistisch erwiesen, dass in Familien mit finanziellen Problemen Menschen öfter krank sind“, sagt Tschuschnig. Bei Kindern und Jugendlichen gehe es in der Therapie vorrangig um Identitätsprobleme, Leistungsdruck, Depressionen, Suizidgedanken und Suchtverhalten, vom Handy bis zu Drogen.

Margret Tschuschnig, Vorsitzende des Kärntner Landesverbandes für Psychotherapie
Margret Tschuschnig, Vorsitzende des Kärntner Landesverbandes für Psychotherapie © Privat

Kärntenweit gibt es beim KLP 59 freiberufliche Psychotherapeutinnen und -therapeuten, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, 74 mit Erwachsenen. Auch in den Bezirken außerhalb der Ballungszentren werde rege Hilfe in Anspruch genommen. Da immer wieder Kritik an längeren Wartezeiten auftaucht, rät Tschuschnig, sich nicht durchzutelefonieren, sondern sich direkt an das Büro des KLP zu wenden. Dort seien die aktuellen Kapazitäten der Therapeutinnen und Therapeuten bekannt.

Seit Jahresbeginn ist auch die Behandlung durch klinische Psychologinnen und Psychologen eine Kassenleistung und im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz verankert. Hierbei kam ebenfalls eine jahrelange Forderung zur Umsetzung.

Zentren werden Ambulatorien

Neuigkeiten gibt es auch von den psychosozialen Zentren in Klagenfurt und Villach, die Ende des Jahres zu Ambulatorien erweitert werden, wie das Land Kärnten am Mittwoch bekanntgab. „Künftig dürfen wir auch Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie in den Zentren beschäftigen. Damit erweitert sich das Spektrum unseres Leistungsangebotes“, so Gesundheitsreferentin Landesrätin Beate Prettner (SPÖ). Das kostenlose Angebot in den Zentren, die 2022 (Villach) und 2023 (Klagenfurt) etabliert worden sind, werde „enorm gut angenommen“, so Prettner.