Über 27 Jahre laufen die Geburtenaufzeichnungen bei den Japanmakaken am Kärntner Affenberg nahe Villach - in diesem Zeitraum ist keines der 112 Weibchen bei der Geburt gestorben, berichten Forscher der Universität Wien. Das ist insofern erstaunlich, als die Tiere beim Gebären mit einem ähnlich ungünstigen Becken-Kopf-Verhältnis konfrontiert sind wie Menschen. Laut der Studie im Fachblatt „PNAS“ könnte die Tiere ihre intuitive Herangehensweise vor Müttersterblichkeit bewahren.

Aus evolutionärer Sicht ist die Geburt eines jeden Menschen gewissermaßen ein Hasardspiel: Einerseits ist es für den Neuankömmling von Vorteil, mit einem gut entwickelten und dementsprechend großen Gehirn auf die Welt zu kommen. Andererseits kann genau das für die Mutter, für die ein eher schmales Becken als Anpassung an den aufrechten Gang vorteilhaft ist, zum Problem werden. In Ländern mit schlechter Gesundheitsversorgung sterben daher laut Angaben der Uni Wien immer noch rund 1,5 Prozent der Gebärenden aufgrund von schwerwiegenden Konsequenzen nach Problemen durch ein äußerst ungünstiges Zusammenspiel von engem Geburtskanal und der Kopfgröße des Kindes.

Ungünstiges Becken-Kopf-Verhältnis

Ein Forschungsteam um Biologinnen und Biologen sowie Hebammen von der Uni Wien, der Medizinischen Universität Wien, vom Konrad-Lorenz-Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung in Klosterneuburg (NÖ) sowie von der Kyoto Universität (Japan) ging daher der Frage nach, ob diese gravierenden Probleme bei Makaken ähnlich häufig auftreten. Diese Primaten weisen nämlich ein ähnliches - eigentlich ungünstiges - Becken-Kopf-Verhältnis bei der Geburt wie Menschen auf.

Man ging daher an die Analyse von Geburten- und Sterbeaufzeichnungen der halb-freilebenden Japanmakaken (Macaca fuscata) am Affenberg in Landskron - einer Einrichtung die nicht nur ein Besuchermagnet, sondern seit 2019 auch eine Außenstelle des Departments für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Uni Wien ist. Über den Untersuchungszeitraum hinweg kamen dort 281 Jungtiere auf die Welt. Das Ergebnis: Kein einziges Weibchen starb in den vergangenen 27 Jahren im Zusammenhang mit der Geburt eines Jungtieres.

Umfangreichster Datensatz weltweit

Das sei „schon überraschend“ gewesen, so die Hebamme und evolutionäre Anthropologin Katharina Pink von der Klinischen Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin der Meduni Wien im Gespräch mit der APA. Ebenso erstaunlich sei, wie wenig eigentlich über Geburten bei Primaten abseits des Menschen bekannt ist. Der Datensatz aus Kärnten sei wahrscheinlich weltweit der umfangreichste und am besten aufbereitete dazu. Da die Tiere tendenziell eher in der Nacht oder den frühen Morgenstunden gebären, gebe es auch nur wenige direkte Beobachtungen dazu - keine davon vom Affenberg.

Trotzdem könne man entgegen früherer Annahmen mittlerweile sagen, dass auch Affen einander durchaus Unterstützung bei der Geburt zukommen lassen. Es gebe einzelne Berichte, wonach die Tiere sogar dabei helfen, Nachwuchs quasi herauszuziehen. Etwas weniger rustikal ist der Zugang, der werdenden Mutter Fellpflege - genannt „Grooming“ - zukommen zu lassen. Das wirkt sozusagen als natürliches, hormonelles Schmerzmittel, erklärte Pink.

Ob der Geburtsvorgang bei den hier untersuchten Makaken ebenso komplex ist wie beim Menschen, wo das Kind Drehungen im Geburtskanal vollziehen muss, um zuerst den Kopf und dann die Schultern durch selbigen zu manövrieren, sei nicht vollständig geklärt. Es könnte sein, dass es viele Primaten etwas leichter als Menschen haben, trotzdem ist auch bei unseren engsten Verwandten nicht viel Platz für den recht großen Fötus. Bei Japanmakaken bringen es Mütter auf rund acht Kilogramm, der Nachwuchs bringt es auf ein Geburtsgewicht von rund einem halben Kilogramm.

Viele neue Fragen

Dass man keinen Todesfall registriert hat, werfe jedenfalls „viele neue Fragen auf“, betonte Pink. Allen voran natürlich jene nach dem Warum. Die Studienautorinnen und -autoren vermuten, dass es auch an dem „intuitiveren Zugang“ liegen dürfte. Pink präzisiert: So gebe es Berichte, wonach sich werdende Affenmütter relativ viel bewegen, sich, wenn, dann seitlich liegend ausrasten, aber nie auf dem Rücken liegend gebären und beim Pressen dem eigenen Gefühl und nicht einer Vorgabe folgen. Außerdem greifen sie nach dem Absinken des Kopfes instinktiv zum Ausgang des Geburtskanals. Das wird auch als „Kopfbremse“ bezeichnet und kommt auch bei Menschen vor. Die instinktive Intention dahinter ist vermutlich, der Beckenbodenmuskulatur etwas Zeit zu geben, um sich für das Ende der Geburt noch zu dehnen. All das ermögliche gemeinsam die „maximale Flexibilität des Beckens“, erklärte die Wissenschafterin und Hebamme.

Letztlich sei zu hoffen, dass man von derartigen Studien auch etwas für die menschliche Geburtshilfe lerne, sagte Pink. Denn hier hänge man oft noch sehr veralteten Herangehensweisen an. Das immer noch oft praktizierte Liegen im Bett diene vor allem den Geburtshelfern, die dann einfach besser sehen könnten. Sinnvoller wäre allerdings ein verstärkter Fokus auf die Bedürfnisse der Frauen in der Situation und das Fördern aufrechter Positionen bei der Geburt.