„Da muss etwas passieren!“ Das war der erste Gedanke, der Eberhard Kowatsch durch den Kopf schoss, als er vor mehr als zehn Jahren einer älteren Frau gegenüberstand, die sich trotz eines arbeitsreichen Lebens keinen ordentlichen Zahnersatz leisten konnte. „Sie hätte dringend eine neue Prothese gebraucht, hätte aber die Hälfte dazuzahlen müssen, aber sie hatte das Geld einfach nicht.“ Seine Frau Irene kann von ähnlichen Erfahrungen berichten: „Da gibt es zum Beispiel Leute im Alter von 20 bis 30 Jahren, die extrem schlechte Zähne haben und deshalb keinen Job bekommen, sich den Zahnersatz aber nicht leisten können.“

Zahnarzt Eberhard Kowatsch
Zahnarzt Eberhard Kowatsch © Weichselbraun Helmuth Kleine Zeitung

Daher entstand die Idee, eine Hilfsaktion zu starten, um solchen Menschen zu helfen. Das Zahnarzt-Ehepaar, das eine Praxis in Ebenthal betreibt und die Heydents-Zahnklinik in Graz leitet, erklärte sich bereit, für solche Menschen den Zahnersatz kostenlos herzustellen. Das Problem dabei: „Wir können nicht einschätzen, ob jemand das wirklich nicht bezahlen kann.“ Daher benötigte man Partner, die oft mit armutsbetroffenen oder -gefährdeten Personen in Kontakt stehen und so eine Vorauswahl treffen konnten. So entstand das Projekt „Kärntner Zahn in Not“, das vom Hilfswerk und der Caritas Kärnten sowie von der Kleinen Zeitung unterstützt wird.

Einkommen reicht nur für Fixkosten

„In unseren Beratungsstellen begegnen uns viele Menschen, die sich ihr Einkommen gut einteilen müssen. Sind die Fixkosten für Wohnen, Energie und Lebensmittel bezahlt, bleibt wenig Geld übrig, das gespart werden kann“, weiß Christine Ofner, Teamleiterin der Sozialberatung bei der Caritas Kärnten. Auch noch einen Zahnersatz bezahlen zu müssen, sei in solchen Momenten für viele Menschen eine große Herausforderung und immer wieder könnten sich einige dies gar nicht leisten.

Christine Ofner, Teamleiterin der Sozialberatung bei der Caritas Kärnten
Christine Ofner, Teamleiterin der Sozialberatung bei der Caritas Kärnten © Caritas Kärnten

Und das bedeute nicht nur negative gesundheitliche Auswirkungen – auch der Selbstwert leide darunter: „Betroffene ziehen sich zurück, weil sie vielleicht Schwierigkeiten beim Reden oder Essen haben. Je länger dies andauert, desto schwerer wird es, sich im Arbeitsleben zu halten beziehungsweise wieder Fuß zu fassen und desto größer wird die persönliche Einsamkeit.“ Daher unterstütze man gerne das Projekt, das man als große Chance sehe.

Gefahr weiterer Krankheiten

Auch für das Hilfswerk Kärnten und deren Sozialservicestelle, die einkommensschwache Familien unterstützt, war sofort klar, dass man Teil des Projekts sein möchte. „Gesunde Zähne sind mehr als nur ein schönes Lächeln: Eine schlechte Mundhygiene kann zu Zahnfleischentzündungen führen, welche wiederum das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Atemwegsinfektionen erhöhen“, sagt Margarete Jeschofnik, Leiterin der Sozialservicestelle des Hilfswerks Kärnten.

Margarete Jeschofnik, Leiterin der Sozialservicestelle des Hilfswerks Kärnten
Margarete Jeschofnik, Leiterin der Sozialservicestelle des Hilfswerks Kärnten © Hilfswerk Kärnten

Sie berichtet etwa von einer Klientin, die keine Backenzähne mehr hat, „was ihr die Nahrungsaufnahme erheblich erschwerte, da sie die Nahrung kaum zerkleinern konnte. Dies führte zu Magenschmerzen und einer spürbar eingeschränkten Lebensqualität.“ Ein anderer Klient hatte seit Jahren massive Zahnprobleme, doch eine Sanierung war für ihn finanziell nicht möglich: „Sein äußeres Erscheinungsbild beeinträchtigte zudem seine Arbeitssuche erheblich.“ Beide Personen werden bereits seit Jahren vom Hilfswerk Kärnten begleitet und unterstützt.

Zahnprophylaxe

Mittlerweile haben die Vorgespräche und erste Behandlungen mit jenen Patienten, denen im Rahmen des Projekts geholfen wird, stattgefunden. Dabei wurde auch erhoben, ob diese nach der Behandlung bereit sind, Zeit in die Zahnprophylaxe zu investieren. „Denn es gibt nichts Schlimmeres, als wenn die Zähne nach fünf Jahren schon wieder draußen wären“, sagt Eberhard Kowatsch: „Für die Patienten beginnt durch die Behandlung ein ganz neuer Lebensabschnitt. Ab da sind sie aber selbst verantwortlich.“

Zahnärztin Irene Kowatsch
Zahnärztin Irene Kowatsch © Weichselbraun Helmuth Kleine Zeitung

Irene Kowatsch übt in diesem Zusammenhang auch Kritik am österreichischen Gesundheitssystem: „Bei uns wird die Prophylaxe nicht gut gefördert und für die Krone muss man auch selbst bezahlen. In skandinavischen Ländern ist das anders. Dort wird viel in Prophylaxe investiert, damit es gar nicht so weit kommt, dass jemand Zahnersatz braucht.“

Das Ehepaar stellt seine Arbeitsleistung kostenlos zur Verfügung. Mit den Lieferanten des Materials, wie der Medentical Care GmbH, wurden Vereinbarungen getroffen: Diese verrechnen ebenfalls nichts. Und die Initiatoren hoffen ebenso wie die Partner, dass das Projekt in den nächsten Jahren weitergeführt wird und dass sich weitere Kärntner Ärzte finden, die mitmachen und sich in den Dienst der guten Sache stellen.