Den Ribiselstrauch gibt es an dieser Stelle schon seit einigen Jahren. Heuer trug er erstmals Früchte - oder besser gesagt: Eine Frucht. An sich nichts Besonderes. Wäre diese Schwarze Johannisbeere nicht im ehemals ewigen Eis auf der Pasterze gewachsen. Ein von einem jausnenden Menschen oder über den Umweg des Verdauungstraktes eines Tieres auf 2150 Meter Seehöhe verschleppter Samen ist gekeimt und zu einem Symbol für die Erderwärmung und einem Vorboten, für das, was da oben noch passieren wird, herangewachsen. Zu retten, so sagen Experten, ist die Pasterze, die gerade ihre markante Zunge verliert, nicht mehr.
„Heroben tut sich einiges. Es ist gerade ein Wald im Entstehen“, beobachtet Nationalparkranger Georg Granig, wie sich die Baumgrenze Jahr für Jahr nach oben verschiebt. Wo das Eis schmilzt, kann Leben entstehen. Die Lärchen bahnen sich als Pioniere gerade ihren Weg. Aus der Sadnig-Gruppe, wo nie zuvor ein Baum gesehen war, leuchten sie bereits gelb heraus. Granig hat schon Tausenden Menschen die Schönheit des Nationalparks Hohe Tauern gezeigt. „Wenn durch das Schmelzen des Eises der kalte Gletscherwind ausbleibt, kann sich die Vegetation ausbreiten“, sagt er.
Immer wieder hat der 59-Jährige bei seinen Wanderungen auch besagten Strauch passiert. Dass es irgendwann vielleicht eigenes Ribiseleis vom Glockner gibt, sei mit etwas Ironie gesehen dann wohl auch schon der einzige Vorteil der Erderwärmung. Die Nachteile überwiegen. „Bei den starken und plötzlichen Niederschlägen macht sich das bereits deutlich bemerkbar. Ohne Gletscher erwärmt sich die Erde weiter. Auch für die Tiere ist das sehr schlecht. Schneehühnern oder Murmeltieren tut die Hitze nicht gut. Sie werden sich in Zukunft schwertun, ihr Lebensraum wird immer kleiner“, sagt Granig.
„Süßer, als im Tal“
Doch wie schmeckt eine Frucht, die in dieser Höhe unter immer noch widrigen Umständen herangewachsen ist? Elina Batek aus Mallnitz hatte bei einer Gruppenwanderung in dieser Woche die Ehre, die Ribisel zu verkosten. „Anders, aber sehr gut. Süßer, als im Tal“, lautete das doch überraschende Urteil. Die Ribisel war auch deutlich kleiner, als jene, die in tieferen Lagen gedeihen. Die elfjährige Mallnitzerin, die von der Schönheit des Nationalparks begeistert war, hätte nichts dagegen, wenn im nächsten Jahr mehr Früchte wachsen sollten.