„No? So viele Schwarze hab ich in Bleiburg noch nie gesehen.“ Ein Satz, aus dem Respekt, Sarkasmus aber auch Evidenz spricht. Denn der Aussprecher ist Raimund Grilc, ehemaliger Bürgermeister von Bleiburg und später Klubobmann der ÖVP im Kärntner Landtag. „Aber ja, es hat seine Gründe“, sagt Grilc und entschwindet in der Masse. Die zwei wesentlichen Gründe: In Bleiburg wird der Wiesenmark eröffnet. Für Nicht-Kenner: In vier Tagen kommen 150.000 Gäste auf das Fest, viele davon in Tracht, feiern, kaufen am Krämermarkt oder in der Traktoren-Ausstellung ein, essen Schnitzel und zahlen mit Bargeld. Gründe genug für den zweiten Grund, der die hohe Dichte an ÖVPlern erklärt: Bundeskanzler Karl Nehammer legt hier auf seiner Bundesländertour die letzte Station ein. Sein einziger Auftritt in Kärnten, bevor es am Montag zum ORF-Sommergespräch geht und man dann den Wahlkampf weitgehend in die TV-Studios verlegt.
ÖVP schart sich um Karl Nehammer
Dass die ÖVP hier für ihren Kanzler wahlwerben will, ist schwer zu übersehen. Die großflächig mit dem Parteilogo beklebten Fahrzeuge hat man an den Einfahrtsstraßen geparkt, ein Landwirt hat drei Heuballen an einen Kreisverkehr geschafft und mit dem Parteikürzel angesprayt. Und von den besagten ÖVPlern ist ohnehin jeder da, der in der Partei etwas ist, werden oder bleiben will. Allen voran die Kärntner Kandidaten für die Nationalratswahl Gabriel Obernosterer, Elisabeth Scheucher, Johann Weber, Sandra Lassnig und Peter Weidinger. Als der Kanzler endlich kommt, herzt man einander, rottet sich um ihn. Vor vier Jahren hätte man das wohl Cluster genannt - dazu später mehr. Die Szene ändert sich nicht, als sich die Ehrengäste mit dem Festzug in Richtung Wiesenmarktgelände in Bewegung setzen. Mit Peter Kaiser hat nur ein Sozialdemokrat Platz in der ersten Reihe - und der ist immerhin Landeshauptmann. „In der Innenstadt wird die Straße enger, ich hoffe, sie raufen nicht“, schüttelt ein Polizist irritiert den Kopf.
Als die Ehrengäste auf halber Strecke auf so etwas wie eine Ehrentribüne - Podest gibt es zwar keines, wohl aber eine Kordel zur Begrenzung - gestellt werden, wird augenscheinlich, dass dieser Wahlkampfauftritt nicht so läuft, wie sich das irgendwer in der Partei ausgedacht hat. Während Kaiser mit Genossen beim Umzug Spalier steht, winkt und Hände schüttelt, steht Nehammer weit dahinter und macht Selfies mit Menschen, die in der Mehrzahl Parteifunktionäre sind. Vielleicht liegt darin ja eine Social Media-Strategie, mit der man das Netz mit Bildern füllen will, auf denen der ÖVP-Spitzenkandidat nahbar ist. Vor Ort bewirkt man das Gegenteil.
Als man schließlich auf die Wiese geht, setzt sich diese Szene fort. Zu zufälligen Begegnungen mit dem Kanzler kann es fast nicht kommen, man trifft den Obmann des Tourismusvereins, redet mit Vertretern der örtlichen Wirtschaftsgemeinschaft, aber nie spontan, sondern immer von langer Hand geplant. Ein junger Mann aus einer Polter-Runde fasst sich ein Herz und bittet den Kanzler um ein Bild. Der Bräutigam ist er übrigens nicht, sondern ein weiterer Funktionär - aus dem steirischen Obdach. Ob er im Wahlkampf für den Kanzler laufen wird? „Müssen wir schauen, ja, und wir haben im Herbst auch noch die Landtagswahl.“
Als Nehammer in jenes Zelt kommt, in dem später die Eröffnung stattfindet und das Bier angeschlagen werden wird, will ein Parteisprecher lässig sein und schnappt sich das Mikrofon, um den Kanzler wie einen Rockstar zu begrüßen. Doch während Wohlgesonnene und Neutrale sich noch fragen, wo der Kanzler denn ist, reagieren die Gegner im Affekt und buhen ihn lautstark aus. Wolfgang Stefitz, jener Wirt, der das Zelt betreibt und gleichzeitig Bürgermeister (SPÖ) der Nachbargemeinde Eberndorf ist, betrachtet seinen prominenten Gast mit Gleichmut. „Er ist auch nix anderes.“ Vielleicht sagte er auch isst.
Bei den Eröffnungsreden geht es dann im Schnellverfahren durch die politischen Ebenen: Der Wirtschaftskammer-Chef wettert gegen die 20-Stunden-Woche, der Vertreter des Team Kärnten will einen Halt der Koralmbahn in der Region und fragt in die Runde: „Was sind schon zwei Minuten im ganzen Leben?“ ÖVP-Landeschef Martin Gruber trifft offenbar die Stimmung im Festzelt, lobt das Ehrenamt und wird bejubelt. Nehammer will nachlegen und pocht auf die Werte „Tradition und Leistung“. Am Ende seiner Rede matchen sich Fürsprecher und Gegner in der Lautstärke. Schwarz gewinnt. Als FPÖ-Chef Erwin Angerer - wegen einer Schlamperei - nach Nehammer ans Rednerpult darf und über den zweimaligen Entfall des Wiesenmarktes wegen der Corona-Einschränkungen wettern will, hört kaum noch jemand hin, der Rest schüttelt den Kopf. „Der Abgeordnete hat, wie es üblich ist bei der FPÖ, eine Falschinformation gegeben. Der Wiesenmarkt ist zwei Mal wegen des Corona-Virus und zwei Mal wegen der Pest ausgefallen“, zeigt sich Nehammer dann auf das Thema eingelesen. Die anderen Infos aus dem Dossier kann er ab diesem Zeitpunkt schon wieder vergessen. Knapp nach der Eröffnung fährt am Hintereingang des Zelts das Auto des Kanzlers vor und holt ihn zum nächsten Termin ab: ein Grillabend mit der Jungen Volkspartei in einem Restaurant am Wörthersee. „Es ist jetzt nur mehr wenige Tage vor der Wahl, da ist es gut sich zu treffen, zu schauen, wo gibt es die Notwendigkeit, noch eine Botschaft mehr zu setzen, um dann gemeinsam weiter zu kämpfen.“