Nahe der Pasterze traf Bundespräsident Alexander Van der Bellen Gletscher- und Klimaforscherinnen verschiedener Forschungsgebiete und Universitäten, Nationalparkbedienstete und Vertreter alpiner Vereine, um sich über die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Zustand der Österreichischen Gletscher zu informieren.
Bei einer kurzen Wanderung vom Franz-Josefs-Haus, wo ihn GROHAG-Direktor Johannes Hörl und Nationalpark-Direktorin Barbara Pucker empfingen, wurde dem Bundespräsidenten von den Experten dramatisch vor Augen geführt, was eine Bagatellisierung der Klimazielerreichung bedeuten würde.
Von Nationalpark-Ranger Konrad Mariacher wurde anhand von zwei Fotoaufnahmen, deren Entstehung vor 100 und vor 20 Jahren liegen, anschaulich gezeigt, welche Auswirkungen der Temperaturanstieg auf die Gletscher Österreichs in den vergangenen Jahrzehnten gehabt haben. Allein im Vorjahr ist die Pasterze um 203 Meter geschrumpft.
Die Leiterin des Sonnblick Observatoriums Elke Ludewig prophezeit, dass 2040 die Pasterze den Status Gletscher verlieren wird und nur mehr Gletscherfelder bestehen werden. Seit den 1960er-Jahren erfolgt eine durchschnittliche Temperaturerwärmung von 2,7 bis 3 Grad im Jahresmittel, die Prognosen liegen bei der Verdoppelung dieser Werte, wenn die Ziele nicht erreicht werden.
Gletscherseen versanden
Gerhard Lieb von der Universität Graz führt seit 40 Jahren Gletschermessungen durch und zeigte dem Staatsoberhaupt die Versandungen der Gletscherseen. „Wir vermessen jährlich am Ende des Sommers und beobachten die Entwicklung genauestens“, sagt der Grazer Wissenschaftler.
Ulrike Berninger, Ökologin an der Universität Salzburg, wies auf interdisziplinäre Forschungen in ihrem Institut hin. Gemeinsam mit Hydrologen, Biologen und Soziologen erforscht sie die Veränderungen im Hochgebirge. Ein Gramm Sedimente pro Liter Schmelzwasser stellen auch ein Problem für die Kraftwerke darf.
Auch Gletscherforscherin Andrea Fischer, die zur Wissenschaftlerin des Jahres 2023 gekürt wurde, beklagt, dass durch die Erwärmung die Artenvielfahrt von Flora und Fauna leide und man neue Arten zuwandern lassen müsse, damit der Lebensraum überhaupt nutzbar bleibt. „Sollten wir jedoch die Klimaziele übererfüllen, könnte man auch auf eine Umkehr des Trends und eine Regenerierung bis zum Jahr 2100 hoffen“, stellt die Wissenschaftlerin in Aussicht.
Teure Sanierungen
Alpenvereins-Präsident Wolfgang Schnabl, Naturfreunde-Geschäftsführer Günter Abraham und Gerald Dunkel-Schwarzenberger vom Verband alpiner Vereine Österreichs (VAVÖ) wiesen auf die Schwierigkeiten der Wegerhaltung für die 900.000 Mitglieder und die gesamte Bevölkerung hin. Immer wieder kommt es zu Sperren aufgrund von drohendem Steinschlag und danach zu teuren Sanierungen. Arbeiten im alpinen Gelände sind 2,5 Mal so teuer als in der Ebene. „Jährlich verliert das wanderbare Österreich vier bis fünf Hütten“, sagt Wolfgang Schnabl. „Das stellt aber auch eine Schwächung des Netzwerkes durch den Ausfall von Knotenpunkten dar, die dramatisch ist.“
Bundespräsident Van der Bellen hat auch in seiner Heimat im Kaunertal die beträchtlichen Spuren des Klimawandels festgestellt. Er betont, dass die gesamte Bevölkerung sofort Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Austoßes setzen müsse und nicht durch ihr Verhalten als Sterbebegleiter der Gletscher fungieren solle. „Klimaschutz ist gut, aber es geht doch in Wirklichkeit um den Schutz der Menschheit“ betont der Bundespräsident.
Willi Pleschberger