Nach einem sehr ruckligen Start in die neue Saison mit der Prügelei im Wahllokal, dem Schiffsunglück und dem Brand im Schwimmbad geht es nun endlich los: Das Schwimmbad hat seit diesem Wochenende wieder geöffnet, und auch die beliebte Strandbar „Numero Uno“ schenkt erneut Wein, Bier und Sprizz aus; es gibt Snacks, guten Kaffee aus der Siebträgermaschine und Eis für die Kleinen. Ob man die viereinhalb Bretter der Bar nach dem Hochwasserschaden vom letzten Jahr nicht ein bisschen flotter hätte zusammennageln können, bleibt die Frage – andererseits war das Wetter so mies, dass die Saison ja jetzt erst wirklich beginnt.
Die üblichen Debatten werden natürlich dennoch geführt, irgendwas ist ja immer: So gibt es Beschwerden von italienischen Gästen, dass die Strandkassen erst um 9 Uhr öffnen, wo die ersten Sonnenanbeter doch schon um 8 Uhr kommen. Und die Strandkassen sind zwingend erforderlich, um Sonnenschirme zu buchen, jedenfalls für jene, die dies nicht online tun wollen. Und Italiener sind nun einmal große Online-Skeptiker und haben gern den persönlichen Kontakt, halten ein kleines Schwätzchen und lassen sich den Versuch nicht nehmen, den Preis vielleicht ein wenig herunterzuhandeln.
Neue Rekorde
„Jammern ist der Gruß der Kaufleute“, hieß es schon beim Handelsvolk der Phönizier, und das gilt auch für die Hoteliers und Restaurantbesitzer in Grado, dabei scheint die Saison trotz der gerade erwähnten instabilen Großwetterlage auf neue Rekorde zuzusteuern. Auch der Immobilienmarkt ist heiß wie nie. Auf Lesungen wird der Autor oft gefragt, wie es denn mit der Wohnungslage aussieht, denn machen wir uns nichts vor: Die meisten von uns träumen von einer Residenz im Süden. Nun vermeldet die örtliche Tageszeitung, dass 50 Prozent aller verkauften Immobilien in Grado in den letzten Jahren an Österreicher und Deutsche gegangen sind. Gradeser sind stolz drauf, dass so viele Ausländer sich hier einkaufen. Sie haben sich längst damit abgefunden, dass sie kaum mit den Preisen mithalten können – inzwischen kosten Wohnungen in guter Lage bis zu 10.000 Euro pro Quadratmeter. Wer als Gradeser in Grado eine Familie gründet und keine Wohnung als Erbschaft in Aussicht hat, zieht raus nach Aquileia, Fiumicello oder Cervignano. Anders geht es nicht.
Auch nach 20 Jahren auf der Insel lernt der Autor noch dazu: Wenn Sie jemals Auto- oder Hausschlüssel oder Ihre Brille verlieren sollten, gehen Sie nicht ins Rathaus und auch nicht zur Polizei. Sondern in die Kirche. Vorn links am Eingang, unter der Statue des Heiligen Antonius, dem Schutzheiligen aller Vergesslichen, legen die Gradeser gern Fundstücke ab. Ein inoffizielles Fundbüro – und ein schöner Brauch.
Als Letztes; Ja, die italienische Nationalmannschaft muss frühzeitig die Heimreise antreten. Aber sie hat eben auch das Glück, nicht irgendwohin zurückkehren zu müssen, sondern nach Italien. Die haben’s gut!
Stefan Maiwald