Drogen machen vor keiner Altersgruppe und vor keiner Gesellschaftsschicht halt: Daniel Sturm, 36, ist eher behütet aufgewachsen und war ein guter Schüler. „Das Problem war, dass ich falsche Freunde hatte“, erzählt er. Dazu kamen Schlafstörungen. „Deshalb hat es mich zu den Drogen hingezogen.“ Mit 13 rauchte er seinen ersten Joint. Jahre später nahm er Heroin. Dazwischen lagen: ein Suizidversuch, der körperliche Verfall, der Kontaktabbruch zur eigenen Tochter, ein Gefängnisaufenthalt und vieles mehr.

Video: Ein ehemaliger Drogensüchtiger erzählt

Rückblickend sagt Sturm ganz schonungslos: „Ich bin in allen Lebensbereichen gescheitert.“ Heute ist er clean, steht kurz davor ein Studium zu beginnen und braucht keine Medikamente mehr. Aber nach mehr als 20 Jahren aus der Sucht herauszukommen war „furchtbar viel harte Arbeit“.

Daniel Sturm stellt sich dem Schatten der Vergangenheit
Daniel Sturm stellt sich dem Schatten der Vergangenheit © Weichselbraun Helmuth

Dabei habe alles so harmlos begonnen – vermeintlich harmlos: mit Joints im Teenageralter. Hat das niemand gemerkt? „Als Teenager kann man das gut verheimlichen. Wenn die eigene Mutter keine Drogenerfahrung hat, ist es schwierig für sie zu erkennen, dass der Sohn konsumiert.“ Und als es seine Mutter erkannt habe, war es zu spät. „Plötzlich war ich schon um 11 Uhr vormittags bei Familienfeiern dicht“, schildert der 36-Jährige. Als er von zu Hause ausgezogen ist, sei alles eskaliert. „Irgendwann wird man gegen Marihuana resistent. Deshalb habe ich dann mit Heroin angefangen.“ Die Cannabis-Legalisierung in Deutschland sieht er dementsprechend kritisch. Denn auch er ist durch Marihuana „in die Sucht gestolpert“, wie er sagt.

Als er zum ersten Mal Heroin probiert hat, dachte er sich: „Was ist schon dabei? Drogen sind Drogen.“ „Meinen ersten Schuss hat mir ein Bekannter gesetzt.“ Im Alter von 19 Jahren war er schwerstens abhängig. Er hat die HTL abgebrochen, seine Lehre hingeschmissen und im zweiten Bildungsweg eine Ausbildung begonnen. „Als Süchtiger hast du einen extremen Leistungsabfall. Es wirkt sich auf alle Lebensbereiche aus, wenn man Drogen nimmt.“

Der Betroffene im Video-Interview
Der Betroffene im Video-Interview © Weichselbraun Helmuth

Als sein Dealer verhaftet wurde, wollte er sich das Leben nehmen. „So verzweifelt war ich.“ In letzter Sekunde wurde er gerettet. Danach machte er weiter. Nicht einmal die Geburt seiner Tochter ließ ihn den Absprung aus der Drogenszene schaffen. „Das ist eine Nebenwirkung des Drogenkonsums. Du verlierst alles, du verlierst deine Familie, du bist nicht fähig, Vater zu sein.“ Der Fokus liege nur auf den Drogen. „Meine Suchterkrankung hat mich in die Lage gebracht, dass ich kein Vater sein kann. Das bereue ich irrsinnig und tut mir irrsinnig leid.“

Im Alter von 27 Jahren wurde Daniel Sturm verhaftet und kam „wegen Cannabis-Anbaus im großen Stil“ ins Gefängnis. Das war sein Moment der Erkenntnis. Er habe sich gesagt: „So. Aus. Nie wieder Drogen. Sie haben mein ganzes Leben zerstört.“ Anfangs war er in der Drogenersatztherapie (Substitutionsprogramm) und musste lernen, „das Verhaltensmuster der letzten 20 Jahre abzulegen“.

Psychotherapeutin Elisabeth Mandl und Daniel Sturm
Psychotherapeutin Elisabeth Mandl und Daniel Sturm © Weichselbraun Helmuth

Gelungen ist ihm das erst nach zwei Versuchen. „Nach meiner ersten Therapie war ich zwar von den Drogen weg, aber ich wurde alkoholabhängig.“ Ersatzsucht, nennen das Experten. Sturm musste noch eine zweite Therapie machen – um vom Wodka wegzukommen. Begleitet hat ihn auf diesem Weg unter anderem die Psychotherapeutin Elisabeth Mandl, Fachgruppenleiterin der psychosozialen Dienste der AVS (Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe Kärnten). „Suchtkranke stehen ganz am Rande der Gesellschaft“, weiß sie. Viele haben keine Angehörigen, die ihnen helfen.

Daniel Sturm hatte seine Mutter. „Sie hat alles richtig gemacht. Sie war immer für mich da, aber sie hat sich nicht kaputtmachen lassen von mir. Sie hat mir zwar zu essen gegeben, aber sie hat mir kein Geld für Drogen gegeben. Sie hat mir Hilfe angeboten, aber nicht zu viel.“ Er findet: „Wenn man ein Kind hat, das drogensüchtig ist, muss es selbst an der Drogensucht scheitern, sonst wird es nie die Motivation haben, etwas zu ändern.“

Für ihn hat sich alles geändert. Er könne den Alltag wieder genießen. Meditation und Buddhismus stärken ihn. „Mein Leben war ein Scherbenhaufen. Aber mit jeder Scherbe, die ich wegräume, wird es eine Spur besser.“

Daniel Sturm mit seiner Therapeutin, die während des gesamten Interviews dabei war
Daniel Sturm mit seiner Therapeutin, die während des gesamten Interviews dabei war © Weichselbraun Helmuth