„Ein EU-Nachbarland südlich der Kärntner Grenze wurde angegriffen. Österreich leistet Hilfe und lässt etwa Militärtransporte durch das eigene Land zu. Der Angreifer versucht, das zu verhindern, schickt nicht sein Heer, aber irreguläre paramilitärische Truppen. Das Bundesheer muss die kritische Infrastruktur und die Zivilbevölkerung in Klagenfurt vor Anschlägen schützen“, erklärt Kärntens Militärkommandant Brigadier Philipp Eder die Übungsannahme von „Schutzschild 24“. Es ist die größte Bundesheerübung seit mehr als zehn Jahren in Österreich.
„Die Zeit, wo wir fürchten mussten, dass Panzer des Warschauer Pakts unsere Grenzen überrollen, ist vorbei. Wir sind umgeben von EU-Mitgliedern und Staaten des Nato-Bündnisses. Die Ukraine hat uns aber vor Augen geführt, dass auch in Europa der Krieg zurückkehren kann. Die Bedrohungsszenarien haben sich geändert“, erklärt Kärntens Militärkommandant. Heute müsse man hybride Kampfführung, Cyberattacken, Desinformation der Bevölkerung und Wirtschaftsspionage abwehren. Angriffe durch irreguläre, nicht staatliche Militäreinheiten, wie „Wagner“, religiöse Fundamentalisten oder terroristische Gruppierungen sind realistische Bedrohungen, sagt der Militärexperte. „Schutzschild 24“ finde aus diesem Grund nicht auf Übungsplätzen irgendwo im Gelände fernab von bewohntem Gebiet, sondern vor den Augen der Bevölkerung mitten in Klagenfurt statt.
Zehn Monate Planung in Kärnten
Organisiert und geleitet wird die Übung vom Militärkommando Kärnten. Etwa 1100 Bundesheerangehörige, vorwiegend Milizsoldaten des Jägerbataillons Salzburg „Erzherzog Rainer“ nehmen daran teil. Ihre Truppen wurden vom Militärkommando Kärnten angefordert, ihr Auftrag lautet: Flughafen und Klinikum in Klagenfurt sowie die wichtigen Transportwege Kärntens, die Südautobahn A 2 und die Tauernautobahn A 10, schützen.
Oberst Thomas Enenkel plante „Schutzschild 24“ in Kärnten seit August des Vorjahres. Vorgegeben war das Bedrohungsszenario und dass die Übung im öffentlichen Raum stattfinden muss: „Milizsoldaten aus Salzburg, ABC-Einheiten, die atomare, biologische und chemische Bedrohungen aufspüren und entschärfen, die neu geschaffene Drohneneinheit, Militärhunde, Eurofighter, das Klinikum, der Flughafen, Polizei, Rettung, Feuerwehr, Katastrophenschutz und mehr mussten koordiniert werden, damit eine solche Übung im urbanen Gebiet möglich ist. Alles bei vollem Betrieb und ohne diesen zu stören“, erklärt Enenkel.
Eurofighter über dem Flughafen
Täglich werden unterschiedliche Gefahrensituationen geübt. Im Fokus stehen drei Schwerpunkte: Schutz der Infrastruktur, gefechtstechnische Übungen und ABC-Abwehr. Am Montag habe man einen Schmuggel von Sprengstoff über den Loibl verhindert. Im Klinikum konnte erfolgreich der Diebstahl von radioaktivem Abfall für eine „Dirty Bomb“, eine schmutzige Bombe, vereitelt werden. Am Dienstag dann der Einsatz zweier Eurofighter: „Wir haben Informationen erhalten, dass man eine radioaktive Bombe ins Land bringen will, um damit das Trinkwasser zu kontaminieren. Die Eurofighter sollen den Landezwang der Maschine erwirken“, erklärt Enenkel.
Eine dunkelgrüne Propellermaschine fliegt über dem Flughafen, zwei Eurofighter verfolgen sie. Die Spitzen der Kampfjets stehen fast senkrecht nach oben, damit sie die niedrige Geschwindigkeit der Propellermaschine überhaupt erreichen können. Mit ohrenbetäubendem Lärm ziehen sie dann immer wieder Kreise um das Flugzeug. Zwingen es schlussendlich zur Landung und drehen ab. „Hätten sie sich geweigert, dann wäre das Flugzeug beschossen worden“, sagt Enenkel.
Am Boden wird das Flugzeug von Einheiten des Bundesheeres umkreist. Zwei Insassen werden festgenommen, die gefährliche Ladung von ABC-Einheiten gefunden und gesichert. Gleichzeitig rasen Feuerwehrautos über das Rollfeld. Hubschrauber von Polizei und ÖAMTC steigen auf: Es gab eine Explosion eines Flugzeugs am Boden. Löscharbeiten beginnen. Rettungswägen rasen herbei und Verwundete werden geborgen.
Bewachung des Klinikums
Wenige Minuten später im Klinikum: Die Einfahrten werden von bewaffneten Bundesheersoldaten bewacht. Bei einem Kontrollpunkt wird dann ein unscheinbarer schwarzer Volkswagen Golf angehalten. Die Insassen in Zivilkleidung müssen aussteigen und ihre Taschen entleeren. Sie werden durchsucht. Auch ihr Fahrzeug wird genau kontrolliert. Im Kofferraum wird eine Handfeuerwaffe gefunden. Die Männer müssen sich mit gespreizten Armen und Beinen auf den Boden legen und die Militärhundestaffel rückt an. Der Hund, ein schwarzer Labrador, schlägt nach kurzer Suche an, er ist ausgebildet, chemische und radioaktive Stoffe zu finden.
Patienten nicht verängstigen
„Das Klinikum ist natürlich im Normalbetrieb. Alles musste so geplant werden, dass wir die Abläufe dort nicht stören, aber trotzdem unter realistischen Bedingungen üben können. Beim Kindergarten, dem Elki oder den psychiatrischen Einheiten dürfen wir natürlich nicht sichtbar sein, wir wollen keine Patienten verängstigen“, erklärt Enenkel. Bis Mittwochabend bleibt Klagenfurt Bühne für „Schutzschild 24“.