Der mehr als fragwürdige Okkultist Aleister Crowley leitete die erste Expedition auf den Kangchendzönga (8586 m). Die höchsten Berge der Welt haben schon immer Abenteurer, Glücksritter, Egozentriker, Forschende, aber auch echte Alpinisten angezogen. Der Kantsch, wie man den dritthöchsten Berg der Welt nennt, steht seit 1905 im Mittelpunkt alpiner Unternehmungen. Crowley erreichte eine Höhe von 6500 Metern Höhe.
Der Kärntner Alpinist Hans Wenzl hat in diesem Jahr an eben diesem Berg im östlichen Grenzgebiet von Nepal und Indien das Abenteuer gesucht und wollte seinen bereits elften Achttausender besteigen – es hat dieses Mal nicht geklappt, aber das ist keine Niederlage. Der bescheidene Metnitztaler war acht Wochen unterwegs. Wenzl, der im Brotberuf als Baupolier arbeitet, schaufelt sich seine Zeit mühsam frei, um die höchsten Berge der Welt zu bereisen. Er stand bereits auf dem Mount Everest (8848 m), K2 (8611 m), Makalu (8485 m), Cho Oyu (8188 m), Manaslu (8163 m), Nanga Parbat (8125 m), Annapurna I (8091 m), Gasherbrum I (8080), Broad Peak (8051 m) und Gasherbrum II (8034m). Das ist eine beeindruckende Liste.
Eine Achttausender-Expedition ist keine Bergtour in den Karawanken, sie braucht viel mehr Zeit und eine eingehendere Vorbereitung. Wenzl zieht schon seit Jahren mit der nepalesischen Agentur „Seven Summit Treks“ los, die von vier Sherpa-Brüdern geleitet wird. Mingma Sherpa und sein Bruder Chhang Dawa Sherpa haben beide bereits alle 8000er bestiegen. Am 8. April flog Wenzl nach Kathmandu, die Hauptstadt Nepals, die ihn mit einem freundlichem „Namaste“ begrüßte. Allein der Weg zum im Osten des Landes gelegenen Berg erfordert Zeit. Zuerst geht es mit dem Jeep los, bevor man mit dem Trekking beginnt. Über viele Tage marschierte Wenzl bis er in das auf 5500 Meter gelegene Basislager gelangte. „Das Basecamp war sehr ruhig, es waren nur drei Agenturen vor Ort. Dort gibt es gar keine Internetverbindung.“ In Nepal ist es ansonsten üblich, dass es praktisch in jeder Lodge und in den Basislagern ein funktionierendes W-Lan gibt. „In den ersten Tagen ging es nur ums Akklimatisieren.“ Der menschliche Körper muss sich erst an die Höhe anpassen. Je höher man nämlich steigt, desto schlechter ist der Körper mit Sauerstoff versorgt.
Wenz war körperlich fit und spürte keine Probleme wie Schwindel oder Kopfschmerzen. Schön langsam schob sich der Metnitztaler Vater zweier Söhne von der Südseite den Berg nach oben. Seven Summit Treks und deren Sherpa-Hochträger versicherten den Berg. Dabei wird ein Fixseil gespannt, in das man sich einhängt. 8000er-Besteigungen gibt es heute viele, weil die Infrastruktur immer besser wird und weil die Verwendung von Flaschensauerstoff die Höhe um (über den Daumen gepeilt) 2000 Meter reduziert. Wenzl allerdings verwendet keinen Flaschensauerstoff. Auch seine Hochlager baut er selbst. Lager 2 lag auf 6200 Meter, Lager 3 auf 6900 und Lager 4 auf 7200 Meter. „Das Aufbauen des Zeltes war kein Problem. Oberhalb von Lager 1 gab es aber beim Schaufeln des Zeltplatzes mehr Probleme.“ Allein die Anstrengung in dieser Höhe ist enorm. Alles um einen herum hüllt sich in eine Wolke, wenn man nicht gut akklimatisiert ist. Jede Bewegung ist extrem verlangsamt. Wenzl schleppte nicht nur einen Rucksack mit einem Gewicht von 15 Kilogramm, er machte das auch ohne den Sauerstoff-Boost.
„Ich habe zehn Nächte in den Hochlagern verbracht, das zerrt extrem.“ Wenn die Temperaturen auf Minus 25 Grad sinken, der Wind die Körper vor sich herpeitscht, wird es ungemütlich. „Gleichzeitig ist am Tag die Hitze ein Problem, auch das reflektierende Sonnenlicht.“ Als sich Wenzl gegen 17 Uhr in sein kleines Zelt legte, musste er dort viele Stunden überstehen. „Man versucht ruhig zu bleiben, an Schlaf ist aber kaum zu denken.“ Die Atmung geht schwer, immer wieder hat man das Gefühl zu ersticken. Auch die Kälte greift einen wie ein wildes Tier an. Aber es ist kein kurzes Zupacken, es ist so als wollte die Kälte einen ständig mit sich zerren.
Die höchsten Berge dieser Welt werden heute von kommerziellen Expeditionen dominiert, die vor allem unter Einsatz von Flaschensauerstoff eine hohe Erfolgsquote abliefern. Aber dort oben in der Todeszone lässt sich durch das Verlegen von Fixseilen das Risiko minimieren. Wenzl unterscheidet sich aber von der Masse der 8000er-Alpinisten. „Die Wetterbedingungen waren in dieser Saison sehr tückisch“, erklärt Dawa Sherpa von „Seven Summit Treks“. 15 Kunden hatte die Organisation am Berg, aber die Fixseile konnten nicht bis über 7900 Meter gespannt werden. „Die Seile waren auch immer wieder eingeschneit. Für uns war das Risiko einfach zu groß“, sagt Wenzl, der ja kein Profi ist. Alle – bis auf zwei Polen – kehrten um. „Es hatte einfach keinen Sinn.“ Zwei Gipfelversuche hat er unternommen, aber für eine Gruppe von Freizeit-Alpinisten ist das Erklimmen von Felsstufen in einer Höhe von 8000 Metern einfach ein zu hohes Risiko. „Mein Hauptziel ist es, dass ich alle 14 Achttausender einmal gesehen habe.“ Und das Ziel hat er auch bald erreicht. Am Shisha Pangma war er nicht auf dem höchsten Punkt, einzig der Dhaulagiri fehlt ihm noch in dieser Liste. Ob er die vier ausstehenden 8000er noch einmal schaffen wird? Daran zu denken, ist noch zu früh. Aber es ist möglich.
„Im oberen Teil scheitern viele“
Laut Himalayan Database waren bisher nur drei Österreicher und eine Österreicherin auf dem Gipfel des Kangchendzönga. Der Zillertaler Ausnahme-Alpinist Peter Habeler, die oberösterreichische Weltklasse-Alpinistin Gerlinde Kaltenbrunner, der steirische „Skyrunner“ Christian Stangl und einer der großen Höhenbergsteiger seiner Zeit Georg „Joe“ Bachler.
Der Abtenauer Joe Bachler war überhaupt der Erste, der es solo auf den Gipfel des dritthöchsten Berges schaffte. In einer Expedition mit dem Grazer Alpinisten und Industriellen Hans Schell schaffte er es im Mai 1983 alleine auf den Gipfel. Immer wieder wird der Franzose Pierre Béghin als Erster gezählt, doch dieser schaffte seine Solo-Begehung „erst“ im Oktober 1983.
„Dieser Berg ist gerade im oberen Teil am anspruchsvollsten, dort scheitern viele. Auch die Wetterumschwünge sind dort sehr heftig.“ Eine Seilversicherung war für Bachler nicht notwendig, weil er als Extremalpinist auf einem anderen Level unterwegs ist. „An eine Seilversicherung war nicht zu denken. Wenn du aber aufpasst, immer wach bist, keine Ungeschicklichkeits-Fehler machst, ist es relativ ungefährlich.“ Das sagt jemand, über den Reinhold Messner urteilt: „Bachler gehört zu den Besten.“ Dass der Metnitztaler Hans Wenzl und die meisten aus seiner Gruppe umkehrten, sei gut gewesen: „Diese Leute machen das ja nicht profimäßig. Der Grat zwischen Überleben und Umkommen ist da recht schmal.“ Bachler, der auch Obmann der alpinen Paul-Preuss-Gesellschaft ist, sagt, dass man immer eine Reserve braucht. „Auch die Orientierung ist enorm wichtig.“ Die braucht man am Fixseil natürlich nicht. Bachler hat sich 1983 die Farbe von Steinen oder markanter Strukturen eingeprägt, damit er überhaupt wieder zurückfindet. „Das schönste war aber nicht der Berg. Als ich schon weit unten war, kam mir ein kleiner Bub mit einer Handvoll Früchten entgegen. Der hat dort auf Yaks aufgepasst und hat für mich Früchte gesammelt. In dieser Abgeschiedenheit hat er mir das geschenkt.“