Für 14- oder 15-Jährige liegt eher selten Post im Briefkasten. Sie bevorzugen andere Kanäle, um zu kommunizieren – wie Instagram, Snapchat oder TikTok zum Beispiel. Doch in den vergangenen Tagen haben viele österreichische Teenager überraschend einen an sie persönlich adressierten Brief bekommen – und zwar von Andreas Schieder, Spitzenkandidat der SPÖ für die EU-Wahl. Noch überraschender war allerdings der Inhalt des Schreibens.

Zu jung

Schieder lädt darin die Jugendlichen ein, zur Wahl zu gehen. Am Sonntag findet in Österreich ja bekanntlich die EU-Wahl statt. „Hallo! Ich schreibe Dir heute, weil Du bei der Europawahl am 9. Juni zum ersten Mal wählen darfst“, schreibt Schieder. „Entscheide mit Deiner Stimme selbst über Deine Zukunft. Es ist Deine erste Wahl und die SPÖ ist die richtige Wahl für Dich.“ Am Ende des Briefes steht rot markiert: „Geh am 9. Juni wählen.“

Aber genau das können die 14- und 15-Jährigen, die den Brief erhalten haben, nicht tun. Sie sind zu jung.

„Irrtümlich passiert“

Wählen dürfen Österreicherinnen und Österreicher, die spätestens am Wahltag 16 Jahre alt werden. Hat sich die SPÖ verrechnet? Warum haben so viele Noch-nicht-Wähler, die Jahrgang 2009 und damit erst 14 oder höchstens 15 sind, Wahlwerbung persönlich an ihre Wohnadresse zugeschickt bekommen? „Das ist irrtümlich passiert“, sagt Sigrid Rosenberger, Sprecherin von EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder. Wie viele nicht wahlberechtigte Teenager in Österreich einen Erstwähler-Brief bekommen haben, könne sie nicht sagen. Die Kleine Zeitung hat stichprobenartig bei mehr als zehn Familien in Kärnten und der Steiermark nachgefragt. Fast alle haben den Erstwähler-Brief erhalten – obwohl die Kinder erst 14, höchstens 15 Jahre alt sind. „Ich bin aus allen Wolken gefallen und hab mir nur gedacht, dass ich offenbar etwas Wichtiges verpasst habe“, meint eine betroffene Mutter.

„Nicht unsere Absicht“

In einer schriftlichen Stellungnahme von Katharina Kubicek, Sprecherin der SPÖ-Bundespartei, heißt es: „Es ist uns ein großes Anliegen, die Wahlbeteiligung junger Menschen zu erhöhen und gerade Erstwähler und Erstwählerinnen auf die bevorstehende EU-Wahl aufmerksam zu machen.“ Deshalb habe sich die SPÖ für ein „Direct Mailing“, also eine direkte Werbebotschaft, an Erstwähler entschieden. „Wir haben die aktuelle Wählerevidenz beim Innenministerium angefragt – ein Standardvorgang vor jeder Wahl. Als wahlwerbende Partei dürfen wir darauf zugreifen“, heißt es.

Als Wählerevidenz wird die Liste mit allen Wahlberechtigen bezeichnet. „In dieser sind Personen eingetragen, die vor dem 1. Jänner 2024 das 14. Lebensjahr vollendet haben“, erklärt Pressesprecherin Kubicek. „Das heißt, wir haben den Datensatz des Innenministeriums für erstmals wahlberechtigte Jugendliche verwendet, dabei aber die unter 16-Jährigen auch angeschrieben.“ Dass für die Wahlwerbung per Post „der Personenkreis zu weit gefasst wurde, war nicht unsere Absicht“.

Entschuldigung

Bei der SPÖ habe es zum Brief einzelne Nachfragen von Elternteilen gegeben, sagt Parteisprecherin Kubicek. „Wir haben den Sachverhalt erklärt und uns selbstverständlich für das Missverständnis entschuldigt.“

Wie kommen erst 14-jährige Buben und Mädchen in die Liste der Wahlberechtigten? „Es kann sein, dass auch Jugendliche, die im 15. Lebensjahr sind, dort registriert wurden, damit niemand übersehen wird, der erst am Wahltag oder kurz vorher 16 wird“, heißt es aus dem Innenministerium. „Nach dem Wählerevidenzgesetz wird die Liste mit Wahlberechtigten zweimal im Jahr an die Parteien übermittelt.“