Fast 100 Jahre ist es her, als eine neue Art den weiten Weg von Australien und Neuseeland ins Mittelmeer und an die Europäischen Atlantikküsten fand, und sich dort ausbreitete. Es handelt sich dabei um die ältesten bekannten invasiven Arten, die in der Adria zu finden sind. „Die Rotalge Falkenbergia rufolanosa beziehungsweise Asparagopsis armata lebt als Epiphyt oder an anderen Algen festgeklammert an seichten Stellen und in der Tiefe“, erklärt Daniel Abed-Navandi, Stellvertretender Direktor des „Haus des Meeres“ in Wien und Kurator des Meeresaquariums. Auch zwei Grünalgenarten der Gattung Caulerpa racemosa und C. taxifolia wurden eingeschleppt.

Mittlerweile gebe es hunderte solcher Beispiele, wie etwa der hochgiftige Kugelfisch, der immer öfter in den Netzen von Fischern landet und erst seit Kurzem für Aufsehen sorgt. Aber nicht nur für den Menschen beim Verzehr giftige Arten fallen auf. Meist sorgen die Tiere, mit den mitunter ungewöhnlichen Namen wie Seespinne oder Kaninchenfisch, vor allem unter ihren Artgenossen für Probleme und verdrängen diese zunehmend.

Das geschieht etwa mit den Goldstriemen (Sarpa), wie Abed-Navandi in seinem Buch „Lebensräume im Mittelmeer - Ein Handbuch für Unterwassermenschen“, das er gemeinsam mit Georg Glaeser verfasst hat, beschreibt. Das bis zu 40 Zentimeter lange Tier sei „sicherlich der wichtigste pflanzenfressende Fisch im Mittelmeer“. Goldstriemen in großen Schwärmen, die mehrere hundert Tiere umfassen, ziehen durch die Algenwälder: „Alle Tiere im Schwarm sind annähernd gleich groß, wodurch er als überindividuelle Einheit präzise auf Angriffe von Raubfischen reagieren kann.“

Nun bedroht aber ein Tier, das sich auf die gleiche Nahrung wie die Goldstrieme spezialisiert hat, die Fischart: der durch den Suezkanal eingewanderte Kaninchenfisch. Die Schwarmfischart habe an manchen Küstenabschnitten die Goldstrieme bereits völlig ersetzt: „Wahrscheinlich weil sein Gebiss ein effektiveres, tiefergehendes Beweiden der Algenbeläge ermöglicht. Diese höhere Effizienz beruht möglicherweise auf der ursprünglichen Anpassung des Gebisses an das Abkratzen der härteren Algen in tropischen Korallenriffen.“

Ähnliches Beuteschema als Problem

Weitere Beispiele invasiver Arten sind die Runzelige Seespinne Herbstia oder der Rotfeuerfisch Pterois miles, der bodennah lebende Fische, Krabben und Garnelen zu seiner Beute zählt. Damit tritt er in direkte Konkurrenz zu den in der Adria heimischen Schriftbarschen, Drachenköpfen und Zackenbarschen, die ein ähnliches Beuteschema aufweisen.

„So wie der Kugelfisch kam auch der Rotfeuerfisch aus dem Indischen Ozean über den Suezkanal in das Mittelmeer. Der Rotfeuerfisch wurde auch in der Karibik gefunden, dort entkam er aus einem Aquarium in Florida und verbreitete sich sehr rasch in der Karibik, was zu einer massiven Veränderung der Artenzusammensetzung der Fische dort führte, weil diese Rotfeuerfische gefräßige Räuber sind und keine Fressfeinde haben“, erklärt Meeresbiologe Gerhard Herndl. Dass der Rotfeuerfisch in der Nord-Adria eine dauerhafte Population bilden kann, sei momentan allerdings nicht zu erwarten, erklärt Abed-Navandi, „da dort die Wassertemperaturen im Winter wochenlang auf unter zehn Grad Celsius fallen, was deutlich unterhalb der Kältetoleranzgrenze tropischer Meeresfische liegt.“

Dennoch macht es die zunehmende Wärme eingewanderten Arten leichter, sich auszubreiten. „Die Erwärmung des Mittelmeeres spielt hier eine große Rolle, da jene Arten, die aus dem Indischen Ozean und dem Roten Meer kommen, hohe Wassertemperaturen benötigen“, erklärt Herndl. An der Zunahme invasiver Arten habe aber auch die Schifffahrt einen großen Anteil.

Ein Beispiel dafür ist die Meerwalnuss Mnemiopsis leidyi. Diese Rippenqualle, die über keine Nesselzellen verfügt, kam mit dem Ballastwasser von Schiffen aus mittelamerikanischen Küsten zuerst ins Schwarze Meer, von dort aus eroberte sie das östliche Mittelmeer, ehe sie etwa ab dem Jahr 2017 bis in die Adria vordrang. Mittlerweile sei diese sogar in der Nordsee zu finden, sagt Herndler: „Die Meerwalnuss vermehrt sich massenhaft.“ Das Tier verfüge über keine Nesselzellen und sei somit für den Menschen ungefährlich, allerdings fresse es große Mengen an Plankton, das dann wiederum anderen Organismen als Nahrung fehlt.

Blaue Delikatesse

Und vor allem an der italienischen Adriaküste sorgt ein anderer „Räuber“ für Probleme: die Blaukrabbe. Das Tier stamme ursprünglich von der Ostküste der USA, rund um Maine und Chesapeake Bay Area, erklärt Herndl: „Diese Krabben waren zuerst im Mündungsgebiet des Po und breiteten sich auf die Nordadria aus. Diese Krabbe frisst Muscheln, Fische, andere Krabben.“ Doch in diesem Fall drehten die Italiener den Spieß mittlerweile um: Sie fangen die Krabben und bieten sie als Delikatesse in Restaurant oder Supermarkt an.