Oft sind es Menschen, mit denen man sich gerne unterhält. Menschen, die charismatisch sind und Blicke auf sich ziehen. Doch bei näherer Betrachtung können sie manipulativ und einnehmend sein und sogar Schaden anrichten. Die Rede ist von Narzissten. „Wobei man sie nicht anhand einzelner Beispiele erkennen kann. Meistens steckt ein ganzer Mechanismus dahinter“, erklären Melanie und Elisabeth. Als Leiterinnen der ersten Selbsthilfegruppe für „Narzissmus im Alltag“ in Kärnten ist Anonymität sowohl für sie als auch für die Gruppenteilnehmer das höchste Gut, deshalb wollen sie ihre richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. Seit Februar werden monatlich beim Dachverband Selbsthilfe Kärnten Sitzungen angeboten, bei denen Betroffene ihre Erfahrungen mit Narzissten – egal ob in der Familie, in der Beziehung oder im Job – aufarbeiten können.
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„Das Thema Narzissmus ist weit verbreitet, man liest immer wieder davon. Aber eine Selbsthilfegruppe gab es noch nicht“, erklären sie. Beide kommen aus dem psychosozialen Bereich und haben selbst Erfahrungen mit narzisstischen Dynamiken gemacht. „Unser beruflicher Hintergrund hat uns dabei geholfen, dass wir damit gut abschließen konnten. Und jetzt können wir in der Gruppe viel beitragen.“ Dass man das Problem einer Beziehungsdynamik überhaupt erkennt, ist für Betroffene ein großer Schritt. „Man fühlt sich nicht verstanden, nicht ernst genommen und zweifelt an sich selbst“, beschreiben die Beiden das Gefühl. Anfragen Interessierter gab es bereits einige, wie sie erzählen. „Aber wir haben gemerkt, dass das Thema mit viel Scham besetzt ist, weil es oft schwer auf den Punkt zu bringen ist.“
Gesundes Selbstbewusstsein oder Narzissmus?
Das mag auch daran liegen, dass es gar nicht so einfach ist, Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung zu identifizieren. „Im Grunde haben alle Menschen Momente, wo man einfach auf den Tisch haut und sagt ,Jetzt bin ich dran‘. Doch das ist mehr mit Selbstbewusstsein zu vergleichen“, sagt Gabriele Gößnitzer, klinische Gesundheitspsychologin und Referentin, die auch bei ihrer Arbeit in der Justizanstalt Klagenfurt regelmäßig mit dem Thema konfrontiert ist. „In der Psychologie gibt es genaue Kriterien, was einen Narzissten ausmacht. “
Demnach streben Narzissten vor allem nach vier Dingen: Macht, Kontrolle, Aufmerksamkeit und Bewunderung. Gleichzeitig fehle es ihnen an Empathie, obgleich sie vorgespielt werden kann, um Menschen zu ködern. „Das ist vor allem in Beziehungen ein großes Thema. Deshalb sollte man sich beim Dating Zeit lassen, die andere Person richtig kennenzulernen“, sagt Gößnitzer. Und: Narzissten müssen nicht immer extrovertiert sein. „Es gibt auch introvertierte Narzissten, die sich als Opfer darstellen, um Aufmerksamkeit zu bekommen“, erklärt Gößnitzer. Sowohl ihr als auch den Leiterinnen der Selbsthilfegruppe ist es aber wichtig, Narzissten nicht zu dämonisieren.
Abwertung und Ignoranz
„Es ist nicht alles schwarz und weiß“, sagen Melanie und Elisabeth. Auch Personen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung sind am Ende des Tages noch immer Menschen, betont Gößnitzer. Aber gerade, weil es auch gute Zeiten gibt, ist es so schwierig, narzisstischen Beziehungen zu entfliehen. Erst im Nachhinein erkenne man oft das Problem in einer Beziehung. Im Fall von Elisabeth war es ein Chef, Melanie war der Situation im familiären Kontext ausgesetzt: „Ich wurde oft idealisiert und wenn es dann einmal nicht so gut lief, folgten Abwertung und Ignoranz.“ Nach außen wurde die heile Welt präsentiert, erzählt Melanie. Doch die Realität sah anders aus. Die Folgen solcher Beziehungen können laut Gößnitzer schwere depressive Phasen sein.
Weitere Narzissmus-Merkmale sind Manipulationsversuche oder schlicht und einfach Lügen. Gößnitzer führt dabei das Beispiel des Serienmörders Jack Unterweger an, der mit seinem Charisma sogar Experten hinters Licht geführt hat. Er kam aus dem Gefängnis frei und mordete weiter, bevor er endgültig gefasst wurde.
Hilfestellung
Was also tun, wenn man in einer ähnlichen Situation steckt? Gößnitzer: „Wichtig ist, dass man sich nicht hineinziehen lässt. Und man muss sich Unterstützung holen. In der Arbeit kann das der Betriebsrat sein, bei Beziehungen das familiäre Umfeld oder der Freundeskreis sein.“ Interessierte, die Melanies und Elisabeths Gruppe besuchen wollen, können sich direkt an den Dachverband Selbsthilfe Kärnten wenden.