Er hat im Gastgewerbe gearbeitet und schlug sich beruflich und privat die Nächte um die Ohren. Aus „Spaß und Neugierde“ habe er irgendwann zu koksen begonnen, sagt Martin*. Heute blickt er schonungslos auf diese Zeit zurück: „Ich habe zehn Jahre gekokst und 20 Jahre gesoffen“, fasst er zusammen. „Ab einem gewissen Zeitpunkt konnte ich ohne Kokain nicht mehr lustig sein. Man merkt nicht, wie schnell man süchtig wird. Koks hat eine starke Lobby in allen Gesellschaftsschichten. Arbeiter nehmen es, um gut drauf zu sein. Reiche nehmen es, um schick zu sein. Es ist ein sauberes Pulver, man braucht dafür keine Spritze, bekommt keine blauen Flecken und viele verharmlosen es.“
Mittlerweile ist Martin Ende 50 und seit mehr als vier Jahren clean. Er ist groß, gut gekleidet und wirkt fit. Doch beinahe wäre der Kärntner einer der vielen Drogentoten gewesen, die jedes Jahr verzweifelte Angehörige hinterlassen und später als Zahl in einer Statistik aufscheinen. Allein im Vorjahr gab es in Kärnten 23 Drogentote.
Kaputte Zähne und abgemagert
„Auch ich habe nach einer wilden Nacht irgendwann eine zu große Dosis erwischt, eine Überdosis.“ In letzter Sekunde habe jemand die Rettung alarmiert. Die Drogen hätten ihn fast getötet, sagt Martin. „Ich war kurz vor dem Drogentod, kam vier Tage auf die Intensivstation und hatte geschädigte Organe.“ Es folgte die Überstellung in die Psychiatrie. „Dann war ich munter. Aber wie! Meine Wohnung war weg, mein Führerschein war weg, mein Job war weg. Ich hatte nichts.“
Auch körperlich sei er am Ende gewesen. „Ich war abgemagert, hatte kaputte Zähne und brauchte 17 Tabletten am Tag.“ 18 Monate verbrachte er im Anschluss in einer Therapieeinrichtung. „Danach musste ich mein Umfeld wechseln und mit meinem alten Leben brechen. Das ging nicht anders.“ Er lebte alleine ohne Freunde in einer neuen Stadt und war zum ersten Mal in seinem Leben arbeitslos. „Direkt nach der Therapie, das ist die gefährlichste Zeit. Denn da bist du frei, hast nichts zu tun und gleichzeitig hast du einen enormen Suchtdruck.“ Wenn er in der Stadt war, habe er „ständig an jeder Ecke Leute gesehen, die Drogen verkauften“. Sein Blick sei total darauf fixiert gewesen: Wo könnte ich was bekommen, wenn ich es brauche?
Um aus der Sucht herauszukommen, sei ein starker Wille, Hilfe und Glück nötig. Er hat gemeinsam mit seiner Psychotherapeutin Elisabeth Mandl den richtigen Ausweg für sich gefunden. Im Arbeitstrainingszentrum der AVS (Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe Kärnten) konnte er fünfzehn Monate lang ein Training absolvieren. „Das ermöglichte ihm einen langsamen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt“, sagt Mandl, zuständige Fachgruppenleiterin der psychosozialen Dienste der AVS. Martin ergänzt: „Ich wurde hier ohne Druck wieder in die Arbeitswelt eingebunden. Das Nichtstun war das Schlimmste für mich.“
Nun arbeitet er als Haustechniker in einer großen Einrichtung. „Von den 17 Tabletten, die ich einst nahm, brauche ich heute keine mehr. Mit dem neuen Beruf wurde mir eine Perspektive geschenkt.“ Er arbeite jeden Tag an sich und gehe weiterhin zur Therapie ins psychosoziale Beratungszentrum der AVS. „Ich bleibe sicher abstinent. Aber mit dem ersten Bier oder dem ersten Joint würde ich sofort wieder rückfällig werden.“
*Name von der Redaktion geändert