Sein Multitasking-Blick schweift scheinbar über mehrere Schauplätze gleichzeitig. Er greift nach dem vergessenen Schal eines Gastes, bemerkt den verlorenen Blick eines anderen, der suchend durch die Lobby tapst und auch den kleinen Fehler des Barmanns, der den Martini-Cocktail nicht rührt, sondern schüttelt. Rainer Husar entgeht fast nichts, blitzschnell ist er zur Stelle: „Weißt, wenn der Cocktail nicht gerührt, sondern geschüttelt wird, dann lösen sich die Eiswürfel zu schnell auf und der Martini wird wässrig.“
Im Winter amtiert die Barkeeper-Legender vom Wörthersee nun im Thermenhotel „Ronacher“ als Stellvertreter von Simone Ronacher. „Ich kenne die Simone schon seit sie im Schlosswirt in Anif und im New Yorker Luxushotel Pierre war. Irgendwann haben wir uns wiedergesehen und sie hat mich gefragt, ob ich auf ihr Haus schauen will, wenn sie sich an einigen Wochentagen eine Familien-Auszeit nimmt“, erzählt Husar, „das ist mir eine große Ehre“.
Weltweit Erfahrung gesammelt
Jetzt wirft er immer an Sonntagen und Montagen sein wachsames Auge aufs „Ronacher“, macht Honneurs für VIPs, führt Gäste durchs Hotel, kontrolliert das Housekeeping, reicht seine Erfahrungen an die Barkeeper weiter, disponiert die Rezeptions-Garde und motiviert alle Mitarbeiter zu Höchstleistungen. „Weißt, es macht einen kleinen, aber feinen Unterschied, ob man Mahlzeit oder Guten Appetit wünscht, hat’s geschmeckt oder waren Sie zufrieden fragt“, plaudert Husar aus seinem gastronomischen Wissensschatzkästchen. In seiner eigenen Vita stehen Jobs in den besten Häusern der Welt – er war im „Palace“ in Montreux, im „Dorchester“ in London, im „Negresco“ in Nizza und im „Dolder“ in Zürich.
Wenn sich der Gast im Hotel angekommen fühlt und seine Glücksgefühle erlebt, ist auch Husar zufrieden. Natürlich kommt auch sein profundes Barkeeper-Wissen nicht zu kurz. Für die „10. Festspiele für die Seele“, die Intendant Arnold Mettnitzer wieder im März im „Ronacher“ inszeniert und für die er unter anderem Schauspielerin Brigitte Karner, Burgtheater-Direktor Martin Kusej oder Polit-Ikone Waltraud Klasnic auf die Bühne bittet, kreiert er gerade einen eigenen Festspiel-Cocktail. „Er soll Balsam für die Seele sein. Rum, Schlagsahne, Eierlikör“, lacht Husar, „das steht im Cocktail für Frieden, Glück und Zufriedenheit.“
Ob ihn der Wörthersee im Sommer wiedersieht, steht noch in den Sternen. „Ich habe einige Optionen“, grübelt Husar über seine nahe Zukunft, „aber ich hab noch so viel Leidenschaft und brenne für die Arbeit in der Gastronomie.“ Und das in einem Alter, in dem andere längst ihre wohlverdiente Pension genießen. Diesen Sommer feiert er sein 60-jähriges Dienstjubiläum, im Dezember wird er 75. Und das sicher nicht leise. Wer Party-Dirigent Rainer kennt, weiß, wie laut er die Korken knallen lassen wird.
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Wolfram Winkler