„Ich hatte das Gefühl, ich sterbe.“ So beschreibt Emilia Andonova die Schmerzen, die sie im Unterleib plagten. „Es fühlte sich an, als ob mich ein Zug überfährt.“ Was von Außenstehenden als „starke Regelschmerzen“ abgetan wurde, war in Wirklichkeit Endometriose. Allerdings dauerte es gut zehn Jahre, bis Andonova diese Diagnose und somit Gewissheit bekam. Gewissheit, dass die Schmerzen nicht nur „Kopfsache“ waren und, dass es noch viel Forschung und Aufklärung braucht.
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Tatsächlich vergehen im Schnitt sieben bis zwölf Jahre bis zur Endometriose-Diagnose, wie Fachärztin Elisabeth Janschek, die das Endometriosezentrum im LKH Villach leitet, erklärt. Laut Land Kärnten wurde die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe vor 15 Jahren als klinisch-wissenschaftliches Endometriosezentrum ausgezeichnet. Seither gab es immer wieder Auszeichnungen und Rezertifizierungen. Doch was steckt hinter der Krankheit?
Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der eine Schleimhaut, die der Schleimhaut der Gebärmutterhöhle sehr ähnlich ist, an unterschiedlichsten Stellen im Körper entsteht. Durch regelmäßigen Auf- und Abbauprozessen, sowie Abblutungen, kommt es immer wieder zu Verwachsungen im Körper. Bei manchen Patientinnen bleiben sie lange unbemerkt, bei anderen verursachen sie starke Schmerzen. Endometriose kann auch Grund für einen unerfüllten Kinderwunsch sein. „Die Krankheit wird gerne als Chamäleon bezeichnet, weil sie unterschiedliche Erscheinungsformen, Ausprägungen und Symptome hat“, informiert Janschek. Genau deshalb werde sie nicht immer erkannt.
Endometriose: Regionale Unterstützung
Janschek war es, die Andonova dazu inspiriert hat, in Kärnten eine Selbsthilfegruppe zu gründen. „Es ist unglaublich wichtig, dass die Menschen auch regional entsprechende Unterstützung bekommen“, sagt die Fachärztin. „Um Erfahrungen auszutauschen, aber auch weil es wichtig ist zu sehen, dass man nicht die Einzige mit dieser Krankheit ist.“
Als Gründerin der „Endometriosevereinigung Kärnten“ kennt auch Andonova viele Leidensgeschichten. Bei ihr selbst wurde im Alter von 27 Jahren eine Zyste entdeckt – da musste sie zum ersten Mal operiert werden. „Das war eine absolute Schockdiagnose. Ich war immer sportlich, habe mich gesund ernährt und hätte nie gedacht, dass ich in so eine Situation komme“, erzählt Andonova. Eine Zeit lang ging alles gut, bis plötzlich vor drei Jahren die eingangs beschriebenen Schmerzen eintraten und die Wucherungen erneut entfernt werden mussten. Mit gut zwanzig anderen Betroffenen im Raum Kärnten tauscht Andonova sich regelmäßig aus – die jüngste ist 18, die älteste Ende 40. „Die ,Spitzenreiterin‘ unserer Gruppe wurde bereits zwölf Mal operiert.“ Eine weitere Betroffene musste eine achtstündige Operation über sich ergehen lassen.
Mehr als „starke Regelschmerzen“
Hinzu kommen dutzende Anrufe aus ganz Österreich, Deutschland und der Schweiz. „Betroffene melden sich, um nach Rat zu suchen oder um ihre Geschichte zu teilen“, erzählt die heute 42-jährige Andonova. Manchmal weinen Betroffene auch nur. Aus Verzweiflung. Sätze wie „das sind einfach starke Regelschmerzen“ oder „das liegt am Stress“ bekommen sie vor der Diagnose regelmäßig zu hören.
Endometriose ist aktuell nicht heilbar, aber therapierbar. In diesem Zusammenhang gibt es je nach Ausprägung der Krankheit unterschiedliche Möglichkeiten, nicht immer ist eine Operation erforderlich, erklärt Janschek. Eine Hormontherapie – etwa in Form der Pille – sei eine Variante. „Die Wahl hängt aber natürlich davon ab, ob die Patientin einen Kinderwunsch hat oder nicht.“ Dass die Pille umstritten ist, ist Janschek bewusst. Beim Einsatz müsse man genau hinschauen: „Einerseits bedeutet die Pille für viele Endometriose-Patientinnen einen Gewinn an Lebensqualität, andererseits bedarf es regelmäßiger Kontrollen, um eine Weiterentwicklung der Endometriose nicht zu übersehen.“
Endometriose-Patientinnen: Keine Reha-Möglichkeiten
Zwar seien Möglichkeiten gegeben, um ein gutes Leben mit Endometriose zu führen. Dennoch herrsche noch viel Bedarf in Sachen Forschung. Und: Aktuell gibt es in Österreich laut Janschek keinen Rehabilitations-Anspruch für Endometriose-Patientinnen. „Ich bin froh, dass sich seit den 2000er Jahren doch einiges zum Positiven verändert hat. Allerdings sind wir noch lange nicht da, wo wir sein sollten“, heißt es auch aus dem Büro von Gesundheitslandesrätin Beate Prettner. „Das gilt im Übrigen für viele Bereiche der Gendermedizin.“ Als Modellregion für dieses Feld wolle man genau das ändern.
Angesprochen auf fehlende Reha-Möglichkeiten heißt es: „Als GesundheitsreferentInnen können wir ,nur‘ die Dringlichkeit und Notwendigkeit einer solchen Einrichtung an die PVA und das zuständige Gesundheitsministerium herantragen.“ In Kärnten thematisiere man Endometriose wie andere Frauenerkrankungen verstärkt im Schwerpunkt „Frauengesundheit“ wo es um Gesundheitsförderung und Prävention gehe: „Es ist ganz wichtig und unumgänglich, Frauen zu sensibilisieren, ihnen Mut zu machen, sich mit ihren Problemen und Schmerzen an ExpertInnen zu wenden und Endometriose nicht zu tabuisieren! Leider passiert genau das noch immer häufig… Betroffene dürfen mit ihren Symptomen und ihrer Erkrankung nicht alleine gelassen werden.“
Claudia Mann