„Wer saß am Steuer?“ Keine Frage fiel bei diesem Prozess am Donnerstag am Landesgericht in Klagenfurt häufiger. Gestellt wurde sie vor allem von Richter Christian Liebhauser-Karl, der herauszufinden versuchte, ob ein 45-jähriger Oberkärntner wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen sei. Zum Zeitpunkt des Unfalls, bei dem ein 62-jähriger Mann starb, lag der Blutalkoholspiegel des Angeklagten bei 2,7 Promille.
Was war passiert? Am 2. Juni 2023 stürzte ein Geländewagen in Stall im Mölltal auf einer Alm etwa 150 Meter ab. Zwei Männer befanden sich in dem Fahrzeug, sie waren Nachbarn, Freunde. Beide wurden aus dem Auto geschleudert. Einer der beiden, damals 62 Jahre alt, überlebte nicht. Er verstarb noch an der Unfallstelle. Der zweite (45) wurde schwer verletzt, erlitt Brüche des Mittelhandknochens, der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule. Er befindet sich nach wie vor im Krankenstand. Der Oberkärntner ist vorbestraft, 2017 war er mit 2,24 Promille in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen, auch eine Verwaltungsübertretung wegen Alkohols am Steuer ist bekannt.
„Keine eindeutigen Ergebnisse“
An den Unfall selbst sowie die Zeit zuvor erinnere er sich nicht, sagt er. Erst im Krankenhaus setzte seine Erinnerung wieder ein. Und daher wisse er auch nicht, ob er selbst am Steuer des Unfallwagens gesessen hatte oder ob es sein verstorbener Freund war. So auch die Argumente seines Anwalts: „Sämtliche Spuren wurden bei den Ermittlungen untersucht und es gab keine eindeutigen Ergebnisse, wer das Fahrzeug gelenkt hat. Daher ist er freizusprechen.“
Bei der Befragung des Angeklagten, sagte dieser generell nicht viel, er blieb bei „ja“, „nein“, „ich weiß nicht“, „ich kann mich nicht erinnern“. „Die Fragen werden einsilbig beantwortet“, gab Liebhauser-Karl zu Protokoll. Er würde seine Autos öfters von anderen Leuten fahren lassen, sagte er. „Warum soll ich glauben, dass sie nicht auch dieses Mal alkoholisiert gefahren sind?“, fragt der Richter. „Ich weiß nicht einmal mehr, warum ich getrunken habe“, sagt der Angeklagte. Die Aufarbeitung des Tages gestaltete sich also als schwierig. Wieder die Frage: „Wer ist gefahren?“
Nach der Befragung der Zeugen – die Witwe des Unfallopfers, ein 22-jähriger Bekannter der Männer, der die Rettungskette in Gang gesetzt hat sowie einer der ersten Polizisten am Unfallort – setzt sich der Tag in etwa wie folgt zusammen: Der Angeklagte und der Verstorbene fuhren in der Früh auf die Alm des 45-Jährigen, um Sanierungstätigkeiten durchzuführen. Ein paar Arbeiter waren auch dabei. Wie viele genau, blieb bis zum Ende unklar.
„Von einem Bier hat man keine 2,7 Promille“
Zu Mittag fuhren die Männer „nach unten, um eine Pause zu machen“, erzählte der 22-jährige Nachbar. „Ein, zwei Bier“ seien getrunken worden. „Von einem Bier hat man aber keine 2,7 Promille“, sagte Liebhauser-Karl und setzte nach: „Habt’s jetzt getschechert oder nicht?“ – „Ich hab gesehen, dass mehr getrunken wurde als ein Bier“, gab der junge Mann schließlich zu. Und wer genau wieder am Steuer saß, als es zurück auf die Alm ging, wusste er nicht mehr. Auch nicht, wer gefahren sei, als die Männer verunfallten, was erst um 18 Uhr passierte.
Also wer saß am Steuer? Weil niemand auf diese Frage eine konkrete Antwort wusste oder wissen wollte, wurde der Prozess vertagt. Richter Liebhauser-Karl beauftragte die Polizei mit weiteren Ermittlungen. Die Teilnehmer der besagten Mittagspause sowie der 15-jährige Neffe des 22-jährigen Ersthelfers – er war zum Zeitpunkt des Unfalls auch in der Nähe – sollen dahingehend befragt werden.