Anfang Dezember machte Serbien mit Sondereinheiten seine Grenzen dicht. Schlepperbanden änderten daraufhin ihre Balkanroute. Ihr Weg in den Westen führt nun nicht mehr über Serbien, Ungarn und über die Grenze im Burgenland nach Österreich, die neue Route führt jetzt von Slowenien nach Kärnten. Ein massiver Anstieg illegaler Übertritte ist die Folge, nahezu täglich gibt es Aufgriffe in Kärnten. Der letzte am Sonntag: Nach einem Unfall flüchtete der Schlepper, 20 Flüchtlinge wurden aufgegriffen. Wenige Tage zuvor gab es gleich zwei Aufgriffe an zwei Grenzübergängen binnen 20 Minuten.
„Wir haben eine eklatante Steigerung. Im Jahresvergleich von 2022 auf 2023 gibt es zwar nur einen Anstieg um zehn Prozent, doch im Dezember ging die Kurve steil nach oben“, berichtet der Leiter der grenzpolizeilichen Abteilung in der Landespolizeidirektion Kärnten, Armin Lukmann. 258 illegale Grenzübertritte wurden im Dezember registriert. 158 Personen wurden von Schleppern über die Grenze gebracht, 17 Schlepper wurden festgenommen. „Wir setzen permanent Maßnahmen, aber die Arbeit geht uns derzeit nicht aus. Im Gegenteil, im Jänner hat es noch einmal an Tempo zugelegt“, sagt Lukmann. In den ersten sieben Tagen des Jahres seien fünf Schlepper mit insgesamt 37 geschleppten Personen in Kärnten gefasst worden.
Justizanstalt Klagenfurt
Geschleppt werde mit Pkw, SUV, Vans, Transportern, Bussen oder Lkw: „Es scheint, je nach Verfügbarkeit und Grenzübergang wird das Transportmittel gewählt. Über den Karawankentunnel kommen eher volle Busse und Lkw. Auf kleineren Übergängen nutzen sie ein bis zwei Pkw, um 14 und mehr Personen zu schleppen“, sagt Lukmann. Kontrolliert werde in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden auch an Bahnhöfen und in Zügen in Italien und Slowenien: „Mit bilateralen Zugstreifen haben wir die Situation sehr gut im Griff“.
„Fast alle gefassten Schlepper sitzen derzeit in der Justizanstalt Klagenfurt in Haft und warten auf den Prozess. Ein kleiner Teil, wo nachweislich kein Entgelt im Spiel war, wurde auf freiem Fuß angezeigt. Hier erfolgt die Strafausstellung über die Landespolizeidirektion“, erklärt Lukmann.
„Dublin-Überstellung“
Die Flüchtlinge seien derzeit überwiegend syrische Staatsangehörige: „Sehr viele halten sich aktuell - legal und illegal - in Slowenien auf und wollen über Kärnten, zumeist nach Deutschland.“ Erst werde die direkte Abschiebung zurück nach Slowenien versucht, gelingt dies nicht, werden die Personen befragt. Ihre Identität wird festgestellt und ein Abgleich mit der europäischen Datenbank vorgenommen, sagt Lukmann: „Der zeigt meist mehrere Treffer.“
Das bedeutet, sie haben in einem anderen Staat, etwa Bulgarien oder Kroatien, einen Asylantrag gestellt und bereits öfter versucht, in ein anderes Land im Westen oder Norden zu kommen. „Sie kommen vorläufig in Kärnten in Schubhaft oder in ein Erstaufnahmezentrum in Österreich. In Kärnten gibt es kein Erstaufnahmezentrum. Im Rahmen der ,Dublin-Überstellung‘ werden sie dann in jenes Land zurückgebracht, wo der Antrag gestellt wurde.“
Bundesbetreuungsagentur übernimmt
Ein kleiner Teil stelle laut Lukmann in Kärnten den Erstantrag auf Asyl in der EU: „Sie bleiben aber in der Regel nicht unbedingt in Kärnten, sie werden der Bundesbetreuungsagentur zur Grundversorgung übergeben und dann nach Verteilungsschlüssel untergebracht.“ Bei der Erfüllung der Asylquote erfüllt derzeit nur Wien die Quote, Kärnten ist weit abgeschlagen das Schlusslicht. Minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge werden nach Traiskirchen überstellt, dort sei man auf die Betreuung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert, erklärt Lukmann: „Aber davon haben wir nicht sehr viel Fälle.“
Unschuldige Menschen in Gefahr
Lukmann hofft die Lage an Kärntens Grenze werde sich beruhigen, aber man sei vorbereitet auf arbeitsreiche Monate: „Wir sind froh, dass es noch keine gröberen Zwischenfälle gab. Dass unsere Beamten bisher nicht ihre Waffen benutzen mussten. Man darf nie vergessen, hier sind auch unschuldige Menschen in Gefahr. Auch wenn Schlepperei ein Verbrechen ist, wir müssen verhältnismäßig vorgehen, dürfen Menschenleben nicht gefährden. Und das ist uns in Kärnten bisher gut gelungen“, sagt Lukmann.