Die Zugreisenden sind sauer. Die ÖBB haben Erklärungsbedarf. „Bodenlose Frechheit.“ – „Unfähigkeit im Management.“ – „Absolutes Desaster.“ Das sind noch die freundlichsten Kommentare, die viele Passagiere nach diesem Wochenende für die Bahn übrighaben.
Wie berichtet, kam es am Samstag auf der Strecke von Wien nach Kärnten zu Stromausfällen wegen des Schneefalls. Züge mussten umgeleitet werden, der Verkehr wurde teilweise eingestellt. Zahlreiche Kärntner saßen in Unzmarkt, Judenburg oder Knittelfeld fest. „Wir warteten stundenlang bei minus 11 Grad in Unzmarkt auf den Schienenersatzverkehr“, schreibt eine Betroffene. Viele Reisende betonen, sie hätten zwar Verständnis für „höhere Gewalt“, aber nicht dafür, wie mit ihnen umgegangen worden sei. „Wir warteten und warteten und bekamen keine Informationen“, erzählen zahlreiche Anrufer der Kleinen Zeitung.
Lange Reise
Am härtesten traf es wohl jene Passagiere, die um etwa 17.30 Uhr mit dem Zug von Wien Richtung Kärnten gefahren sind. Sie wurden – wie berichtet – nach langen Stehzeiten in Knittelfeld und Unzmarkt nach Graz umgeleitet und mussten dort um 2 Uhr nachts aus dem Zug steigen und sich selbst Unterkünfte suchen. Viele fanden mitten in der Nacht aber kein freies Zimmer mehr – am ersten Adventwochenende im gut gebuchten Graz. Auch eine sechste Klasse des Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Gymnasiums strandete um 2 Uhr am Grazer Bahnhof. Sie waren auf der Rückreise von Brüssel und wollten über Wien nach Kärnten.
„Es war ein Wahnsinn“, sagt Direktor Markus Krainz, der immer mit der Gruppe Kontakt hielt. „Es gab seitens der ÖBB kein Krisenmanagement. Das ist Substandard auf allen Ebenen.“ Der Zug aus Wien mit den 3 Lehrpersonen und 28 Schülern stand zuerst ewig in Unzmarkt. Einige Eltern fuhren mit Autos von Kärnten dorthin, um die Kinder abzuholen. Denn zuerst wurde den Passagieren mitgeteilt, dass der Zug in Unzmarkt bleibe und erst am Morgen weiterfahre. „Aber noch während die Eltern nach Unzmarkt unterwegs waren, wurden wir plötzlich nach Graz umgeleitet“, erzählt Lehrerin Melanie Moser. Weil es teilweise kein Handynetz gab, konnten die Familien nicht informiert werden. „Andere Eltern warteten am Klagenfurter Hauptbahnhof. „Sie bekamen dort so spät am Abend aber null Informationen, weil kein Schalter offen hatte“, weiß Moser. Was sie unbedingt sagen möchte: „Die Schüler waren toll. Sie haben mit Witze-Erzählen und Weihnachtslieder-Singen die Zeit überbrückt.“
Gegen 2 Uhr nachts strandeten Moser und ihre Kollegen in Graz am Bahnhof – mit 28 Teenagern, die keine Unterkunft hatten und seit rund 30 Stunden von Brüssel kommend unterwegs waren. „Wir haben aus dem Zug aussteigen und uns selbst um Unterkünfte kümmern müssen“, sagt Moser. Die ÖBB stellten keine Quartiere zur Verfügung. Sie und ihre Kollegen telefonierten alle möglichen Hotels ab, bekamen aber kein Zimmer. „Wir gingen dann ins Intercityhotel und trafen dort auf einen netten Rezeptionisten, er ließ die Kinder in der Lobby und im Frühstücksraum rasten, bis er um 4 Uhr acht Zimmer für uns hatte.“ Während die Schüler schliefen, wollten die Lehrer einen Intercitybus für Sonntagfrüh von Graz nach Klagenfurt organisieren. „Aber die ÖBB teilten uns mit, dass es Gruppenreservierungen im Bus nur eine Woche im Voraus gibt.“ Nach einer langen Diskussion gab es dann doch Platz im Bus. Am Sonntag gegen 12 Uhr waren die Schüler zu Hause. Laut ÖBB-Sprecher Herbert Hofer gebe es nach derzeitigem Stand bereits 400 Betroffene, die in Graz gestrandet seien.
Offenbar ließ sich aber nicht jeder Passagier, der um 2 Uhr nachts in Graz angekommen ist, aus dem Zug scheuchen. „Wir wurden nicht aus dem Zug geworfen. Wir verließen den Zug einfach nicht“, schreibt ein User auf kleinezeitung.at. „Wir verbrachten die Zeit bis 5.19 Uhr im warmen Zug.“ Dann seien sie bei der ersten Gelegenheit in Richtung Kärnten aufgebrochen.
Ein anderer Zuggast, der sich bei der Kleinen Zeitung gemeldet hat, sagt: „Ich bin bereits um 11 Uhr am Vormittag mit einem Zug in Judenburg gestrandet und musste dann mit einem Bus weiterfahren.“ Es habe schon am Vormittag Chaos geherrscht. „Warum haben die ÖBB dann später überhaupt noch weitere Züge weggeschickt?“
Von den ÖBB heißt es einmal mehr: „Die ÖBB möchten sich aufrichtig bei allen Kundinnen und Kunden, aber auch bei allen Angehörigen der betroffenen Reisenden entschuldigen, die von Samstag auf Sonntag am Weg von Wien aufgrund eines weitreichenden Stromausfalls und aufgrund extremer Wetterbedingungen in der Steiermark gestrandet sind.“