Enger schwarzer Rock, weiße Chanel-Jacke. Bestens vorbereitet hatte sie am Mittwoch ihren mit Spannung erwarteten Auftritt: die Hauptzeugin (23) im Millionenprozess am Landesgericht Klagenfurt. Stundenlang gab die ehemalige Lebensgefährtin des Erstangeklagten (26) Einblick in das Betrugsnetzwerk EXW. Dass die Krypto- und Immobiliengeschäfte „nur Fake“ waren, daran ließ die 23-Jährige keinen Zweifel. „War nach Ihrer Wahrnehmung ein Betrug von Anfang an geplant“, wollte Richterin Claudia Bandion-Ortner wissen. „Ja“, sagte die Zeugin.

Der Grundstein dafür – laut Zeugin wurden 80 bis 120 Millionen Euro eingenommen – wurde auf einer Dachterrasse in der Klagenfurter Innenstadt gelegt. Im Frühjahr 2020 trafen sich erstmals der 26-Jährige, der Zweitangeklagte (32) im EXW-Prozess und jener Kärntner (24), der sich vor Kurzem der Justiz gestellt hat, um alles zu planen. Mit dabei, die Zeugin der Anklage: „Ich war seine engste Vertraute. Er hat mich überall mitgenommen.“

„Ein letztes Ding, dann sind wir reich“

Je länger seine Ex redete, desto häufiger schüttelte der 26-Jährige seinen Kopf, blickte ungläubig lächelnd in den Gerichtssaal und zu den neben ihm sitzenden Angeklagten. Er wollte „ein Projekt hochziehen, bei dem man leicht und schnell zu Geld kommt“, so die Frau. Seinen Mitangeklagten habe er gesagt, „wir machen ein letztes Ding, dann sind wir reich“. Wurde jemals besprochen, was man Investoren sage, wenn sie ihr Geld nicht bekommen?, wollte Richterin Bandion-Ortner wissen. Ihr Ex-Freund habe dazu nur gesagt: „Irgendwann ist das ganze Geld weg und ich auch.“

Anfang 2020 war es so weit: Das Pärchen verließ die gemeinsame Wohnung in Wien – 300 Quadratmeter auf zwei Ebenen, um 7500 Euro Monatsmiete – und flog nach Dubai. „Mein Ex-Freund hatte Angst vor der Polizei und dem Finanzamt.“ Und vor Investoren, die vergeblich ihr Geld zurückforderten und in sozialen Medien gegen EXW mobil machten. Im Gepäck hatten die beiden Tausende Euro Bargeld, die zuvor in einem Schuhkarton in der Wohnung gebunkert wurden. In Dubai zogen sie in eine Luxusvilla, die laut Zeugin 30.000 Euro im Monat gekostet hat. Alles sei bar bezahlt worden, so die 23-Jährige. Auch ein Bentley und ein Lamborghini.

Familienurlaub als „Tragödie“

Nach dem Ausstieg des Angeklagten aus EXW, gegen eine Abgeltung von rund 400.000 Euro, flogen die drei nach Österreich. Mittlerweile hatte die Frau in Dubai das gemeinsame Kind zur Welt gebracht. Gelebt wurde wochenlang in einem Luxushotel am Wörthersee. In der Beziehung begann es zur kriseln, der Familienurlaub auf Bali wurde zur „Tragödie“. Das Paar trennte sich, um die Tochter entbrannte ein erbitterter Sorgerechtsstreit.

Die 23-Jährige flog zurück nach Österreich und ließ dort mit ihrer Anzeige einen der größten Betrugsfälle der vergangenen Jahrzehnte auffliegen.

„Zeit, dass ich alles erzähle“

Nach den Schilderungen seiner ehemaligen Freundin, ihrer Befragung durch die Richterin, die Staatsanwältin und die Verteidiger, konnte sich der Hauptangeklagte äußern. Und da hatte der 26-Jährige offenbar genug, nach monatelangem Leugnen, legte er ein Geständnis ab: „Es ist Zeit, dass ich alles erzähle. Anfang 2020, als wir nach Dubai gezogen sind, war mir klar, dass es im Betrug enden wird“, sagte er. Er sei selbst überrascht gewesen, wie viel Geld man mit EXW machen konnte. Am Ende wollte er nur noch seine Ruhe haben, so der Kärntner. Seine Ex-Freundin habe von allem nichts gewusst, bis er es ihr erzählt habe. Er sei jetzt bereit, zu EXW „detailliert und umfangreich auszusagen“.

Nach fünfeinhalb Stunden wurde die Verhandlung am Mittwoch beendet. Das Strafverfahren wird am 28. November fortgesetzt. Dann wird der Hauptangeklagte erneut einvernommen. Für alle Angeklagten und Beschuldigten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung.