650 Gramm leicht, dunkelblau angelaufen und mit eingefallenen Wangen in einem Rettungswagen verzweifelt nach Luft ringend: Das waren Amirs erste Sekunden auf dieser Welt. Vier Monate ist das her. Mittlerweile bringt der kleine Bursche beachtliche 3,2 Kilogramm auf die Waage und hat sich unter widrigsten Umständen in diese Welt gekämpft. Nicht die einzige Überraschung in dieser Geschichte.
Schon als sie vom Nachtdienst heimkam, fühlte sich Amirs Mutter am Tag seiner Geburt unwohl. Zuerst Rückenschmerzen, am frühen Abend dann Bauchweh. So schmerzhaft, dass die Wolfsbergerin, die gerade in ihrer Unterkunft in Klagenfurt war, die Rettung rufen musste. „Im Rettungswagen wurde ich gefragt, ob ich schon einmal vergleichbare Schmerzen hatte, und ich habe gesagt: ,Ja, bei der Geburt meiner Tochter vor elf Jahren‘“, erzählt die Frau, die nicht wusste, dass sie erneut schwanger war. Nur zehn Minuten hätte die Fahrt ins Klinikum gedauert, doch Amir war schneller und kam viele Monate zu früh auf Höhe der City Arkaden auf die Welt. Mit dabei „nur“ die jungen Rettungssanitäter Isabella Binter und Tobias Meixner, die mit einem Routinefall gerechnet hatten. „Es ist ein Wahnsinn, was die beiden mit mir mitgemacht haben. Sie waren mindestens gleich geschockt wie ich“, sagt die Mutter. Hätte sie den Notruf nur ein paar Minuten später gewählt, wäre die Geschichte vielleicht nicht so glücklich ausgegangen.
Beatmungsmasken viel zu groß
Richtig beatmet werden konnte das Frühchen nicht. Alle vorhandenen Atemmasken waren viel zu groß. Die Temperatur des kleinen Körpers, der in eine Handfläche passte, kühlte von Minute zu Minute ab. Mit 34 Grad ist Amir, eingewickelt in einer Rettungsdecke, gemeinsam mit den gerufenen Notärzten Simon Sommerhuber und Matthias Schwarz im Klinikum angekommen. Eine große Leistung des Rettungsteams und dennoch eine lebensbedrohliche Katastrophe für einen so schutzlosen Organismus. „Frühgeburten kommen immer wieder vor, aber nicht unter diesen Umständen. Amir hat einen enormen Lebenswillen gezeigt und nicht aufgehört, zu kämpfen. Er ist ein Wunder“, sagt Oberärztin Claudia Kanduth. Solche Frühgeburten seien schon mit Vorbereitungszeit für das medizinische Personal und die Mutter eine große Herausforderung. Das Team rund um Stationsleitung Lisbeth Janschitz habe von der ersten Sekunde an perfekte Arbeit geleistet. Amir hat viele Lebensretter.
Für die Mutter war es nicht nur eine physische Ausnahmesituation. Sie wird aufgrund der traumatisierenden Geburt von Psychologin Edith Kriegl weiterhin betreut und unterstützt. „Es waren die schlimmsten Stunden meines Lebens. Ich habe lange nicht gewusst, ob mein Kind überleben wird“, sagt sie. Bis zuletzt hat die seit Kurzem 30-Jährige ihre Wehen nicht für Wehen gehalten. „Amirs Papa ist im Ausland. Wir haben uns im Feber das letzte Mal gesehen. Da ist er offenbar entstanden. Ich habe nie über eine Schwangerschaft nachgedacht, weil er so weit weg ist“, sagt die Wolfsbergerin.
Eine Familienzusammenführung ist geplant. Nach vier Monaten im Krankenhaus soll es für Amir demnächst nach Hause gehen. Daheim ist bereits alles vorbereitet für den „kleinen Löwen“, wie ihn die Familie nennt.