„Lohn statt Taschengeld“ – eine jahrzehntelange Forderung wird in Österreich erstmals Wirklichkeit. Und zwar mit dem „Reallabor“, das in Kärnten an den Start gegangen ist. „Mit diesem Pilotprojekt setzen wir einen Meilenstein für Menschen mit Behinderung. Das Reallabor macht erstmals Inklusion am ersten Arbeitsmarkt zur Realität“, erklärte Landesrätin Beate Prettner am Donnerstag. „Die Erkenntnisse, die wir gewinnen, dienen dem Bund als Grundlage für eine österreichweite Umsetzung.“

Das „Reallabor“ wird vorerst für zwei Jahre und unter wissenschaftlicher Begleitung erprobt. Unterstützt, begleitet und trainiert werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Lebenshilfe Kärnten. 47 Interessierte haben sich beworben. In einem ersten Schritt wurde mit 20 Teilnehmenden gestartet. Ihre Dienstverträge sind unterschrieben und alle haben schon ein eigenes Konto.

Training on the Job

Aktuell sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an vier Standorten im Einsatz. „In den ersten Wochen steht viel „training on the job“ auf dem Programm. Es geht um Pünktlichkeit, es geht um Arbeiten im Team. Nach dieser Trainingsphase kommen die Teilnehmenden in unterschiedliche Betriebe, wo sie erstmals ihrer Arbeit vor Ort nachgehen werden“, sagt Silke Ehrenbrandtner, Geschäftsführerin der Lebenshilfe Kärnten. Eine „absolut positive und motivierende Überraschung“ für Ehrenbrandtner ist, dass sich einige Betriebe von sich aus gemeldet haben und sich als Arbeitgeber anbieten. Die Teilnehmenden sind für je 19 Stunden pro Woche angestellt – und werden laut SWÖ-Kollektivvertrag bezahlt. Das sind rund 1.050 Euro brutto.

Rebecca Samselnig (24) ist eine der Teilnehmenden. Für sie ist das Reallabor ein großer Schritt auf dem Weg, „endlich eigenes Geld zu verdienen“, sagte sie. Wofür sie das Geld verwenden würde? „Mein Traum ist es, einmal gemeinsam mit einer Freundin eine eigene Wohnung zu haben und die schön einzurichten.“

Chancengleichheit

Was das Reallabor zudem von anderen Beschäftigungsmodellen unterscheidet: „Die Betroffenen haben die Möglichkeit, in Leistungen der Chancengleichheit zurückzukehren – für den Fall, dass es mit der Beschäftigung nicht so klappt, wie gewünscht und erhofft“, sagte Ehrenbrandtner.

Tatsächlich ist das bei diversen Beschäftigungsmodellen nicht möglich. „Und das ist natürlich ein Hemmschuh auf dem Weg zur Umsetzung des Punktes Recht auf Arbeit, wie er in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben ist“, erklärte Sigrid Samm, Leiterin der Unterabteilung Chancengleichheit im Amt der Kärntner Landesregierung. Laut Samm sind in Österreich rund 25.000 Menschen mit Behinderung nach Einstufung der Pensionsversicherungsanstalt als „arbeitsunfähig“ registriert. Auch wenn manche von ihnen in Beschäftigungswerkstätten arbeiten, erhalten sie keinen Lohn, sondern ein Taschengeld. Sie sind auch nicht sozialversichert.

EU-Förderung

„In Kärnten haben wir unterschiedliche Projekte, mit denen wir mehr als 240 Betroffene in eine Beschäftigung gebracht haben. Allerdings erhalten diese ihr Gehalt nach dem Kärntner Chancengleichheitsgesetz aus Geldmitteln des Landes und nicht vom ersten Arbeitsmarkt oder vom Bund“, erläuterte Samm.

Das Pilotprojekt kostet rund 550.000 Euro pro Jahr. Die EU-Förderung beträgt 370.000 Euro.