Maria Rauch-Kallat hat über Jahrzehnte die österreichische Frauenpolitik mitgeprägt, vor allem innerhalb der Volkspartei, aber auch als Frauenministerin 2003 bis 2007. Sie sieht den Internationalen Frauentag am 8. März nicht als Grund zum Feiern: „Leider wird es den Frauentag noch lange brauchen, wenn sich die Dinge weiterhin so langsam entwickeln wie in den vergangenen 60 Jahren.“
Als ÖVP-Frauensprecherin im Parlament hatte sie die 2011 beschlossene Änderung der Bundeshymne initiiert. Seitdem kommen auch Frauen darin vor. „Die Erwähnung der Frauen hat eine große symbolische Bedeutung, denn Sprache spiegelt die Realität wider.“ Viel Gegenwind kam damals aus ihrer Fraktion.
Dass die Volkspartei mit dem Vorschlag, Sonderzeichen aus offiziellen Papieren zu streichen, auf das Gender-Thema setzt, tangiert Rauch-Kallat aber wenig. „Die ÖVP wollte einfach der Verwirrung mit den Gender-Sternchen und dem Binnen-I ein Ende setzen.“ In Verwaltungsdokumenten müssen beide Formen ausgeschrieben werden. „So wird die Sichtbarkeit der Frauen gewährleistet“, so Rauch-Kallat.
Forderung nach Lohntransparenz
Für die ehemalige Politikerin sind andere Frauenthemen wichtiger. Altersarmut zum Beispiel. In ihrer Amtszeit wurde das Pensionssplitting eingeführt, um den Pensionsverlust während der Karenzzeit, also vor allem für Frauen, zu verringern. Die große Wirkung ist ausgeblieben. „Es wird sogar von Männern mehr genutzt“, sagt Rauch-Kallat, die sich ein automatisiertes Splitting wünscht. „Von Frauen höre ich leider oft, dass sie sich nicht trauen, ihren Mann danach zu fragen.“
Das automatische Splitting steht auch im Regierungsprogramm, wird aber noch verhandelt. Die Grünen sind eher skeptisch, weil es zu einer Verfestigung der Rollenverteilung beitragen könnte. Sie fordern ein größeres Paket, das auch Lohntransparenz beinhaltet. Bei dieser Idee war die ÖVP bisher reserviert, wäre aber aus Sicht von Rauch-Kallat dringend notwendig.
Um die Lohnlücke zu schließen, müssten drei Punkte beachtet werden: die richtige Berufswahl, eine faire Teilung der Karenzzeit und mehr Selbstvertrauen, Führungspositionen anzustreben. Bei zwei dieser Punkte sieht Rauch-Kallat auch die Partner in der Verantwortung.
Kinderbetreuung bleibt Frauensache
Bei der Verteilung der Karenzzeiten ortet die Arbeiterkammer aber sogar Rückschritte. Bei acht von zehn Paaren ging nur die Mutter in Karenz, hieß es bei einem Pressetermin am Montag. Die Väterbeteiligung sei seit 2017 deutlich zurückgegangen, sagte Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl, die sich unter anderem für eine finanzielle Förderung jener Familien aussprach, die die Sorgearbeit fairer aufteilen.
Eine gerechte Aufteilung von politischen Mandaten ist mit dem Reißverschlusssystem auch innerhalb der ÖVP angekommen. Auf sämtlichen Wahllisten werden Männer und Frauen abwechselnd gesetzt. Die Realität empfindet Rauch-Kallat aber als „Bohren harter Bretter“, besonders auf der kommunalen Ebene. Hier klafft die Anzahl der Männer und Frauen in Gemeinderäten und im Bürgermeisteramt weit auseinander. „Ich habe den Eindruck, dass die Umsetzung auf Gemeindeebene um einiges schwieriger ist. Auf höheren Ebenen hat es sich jedoch gut etabliert.“
Politkarriere als Hürdenlauf
Die Hemmschwelle für Frauen, sich in der Politik einzubringen, ist viel höher als jene der Männer. Frauen werden viel kritischer betrachtet und müssen sich oft unfairen Vergleichen stellen. „Da wird das Outfit und die Frisur genauer betrachtet als bei Männern“, sagt Rauch-Kallat. „Wie Männer aussehen, ist weitgehend egal. Bei Männern ist Schönheit relativ.“ Auch falsche Bescheidenheit oder fehlendes Vertrauen in das eigene Können sind, ähnlich wie in der Privatwirtschaft, auch in der Politik häufige Hindernisse.
Am Freitag lädt Bundesratspräsidentin Margit Göll (ÖVP) unter anderem zu diesem Thema Frauenministerin Susanne Raab, Bürgermeisterinnen und Ehrenamtliche ins Parlament. Man wolle Frauen motivieren, sich in Gesellschaft und Politik zu engagieren, heißt es in der Einladung.